Homeoffice-Pflicht durch Rechtsverordnung: Was ist davon zu halten?

Das BMAS will Unternehmen durch Verordnung (Corona-ArbSchV) vorübergehend dazu anhalten, Beschäftigten während der Corona-Pandemie mehr Homeoffice anzubieten.

Hintergrund

Das Infektionsgeschehen ist trotz der in vielen Lebensbereichen bereits einschneidenden Kontaktreduzierung unvermindert hoch. Um einen harten wirtschaftlichen Shutdown zu vermeiden, liegt es im Gesamtinteresse der Volkswirtschaft, einen besten möglichen Infektionsschutz auch am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Dazu bietet bereits das geltende Arbeitsschutzrecht einen Rechtsrahmen: Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen; Tragen von Mund-Nasen-Schutz, wo dies nicht möglich ist. In Kantinen und Pausenräumen ebenfalls Mindestabstand von 1,5 m; Flüssigseife; Desinfektionsmittel und Handtuchspender in Sanitärräumen; Gewährleistung regelmäßigen Lüftens.

Das Bundeministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) hält jetzt am Arbeitsplatz noch weitergehende, zusätzliche Maßnahmen für erforderlich, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu gewährleisten und um Betriebe weiter offen halten zu können. Dazu hat das BMAS am 19.1.2021 auf Basis des § 18 Abs. 3 des ArbSchutzG i.d.F. vom 22.12.2020 (BGBl 2020 I S. 3334) eine SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) vorgelegt, deren Kern eine Pflicht zur Ausweitung von Homeoffice ist. Darauf hatten sich Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten bereist in ihrem MPK-Beschluss vom 19.1.2021 (dort Ziff. 8) geeinigt.

Verordnungsentwurf des BMAS vom Kabinett gebilligt

Am 20.1.2021 hat das Bundeskabinett die vom BMAS vorgelegte Sars-CoV2-Arbeitsschutzverordnung, gebilligt, die keine weiteren Zustimmung oder gar Befassung des Bundestags bedarf und voraussichtlich nach Verkündung bereits am 27.2.2021 in Kraft treten soll. Sie ist bis zum 15.3.2021 befristet.

Die Eckpunkte:

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice anzubieten; Arbeitnehmer/-innen sollten das Angebot annehmen, soweit sie können.
  • Das Heimarbeitsangebot kann nur entfallen, wenn „zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen“. Anhaltspunkte, was hierunter zu verstehen ist, fehlen in der Verordnung.
  • Es gelten strengere betriebliche Arbeitsschutzregelungen für Abstände und Mund-Nasen-Schutz: Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen.
  • In Betrieben ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden.
  • Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen.

Bewertung und Auswirkungen auf die Praxis

Richtig ist ganz ohne Frage, dass Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vor COVID-Infektionsrisiken geschützt werden müssen, soweit es irgend geht. Dem wird auch kein Arbeitgeber widersprechen, denn es liegt auch in seinem wohlverstandenen Interesse, dass er eine flächendeckend gesunde Belegschaft hat; deshalb haben Arbeitgeber seit März 2020 auch erheblich betrieblich investiert in Schutzmaskenausrüstung, Desinfektion und sonstige Schutzmaßnahmen.

Auch wenn die neue Sars-CoV2-Arbeitsschutzverordnung zeitlich nur bis zum 15.3.2021 befristet ist, muss aber aufgepasst werden, dass man „das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet“. Ein klagbarer Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf zwingende Schaffung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes lässt sich aus der Verordnung meines Erachtens nicht herauslesen. Und ein Anschwärzen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer bei der Arbeitsschutzbehörde oder dem Unfallversicherungsträger, wenn eine vermutete Heimarbeitsoption verweigert wird, ist auch nicht gerade geeignet, ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis zu fördern.

Schließlich scheint die Verordnung inhaltlich auch zu unbestimmt, weil jegliche Anhaltspunkte fehlen, unter welchen Bedingungen sich ein Arbeitgeber auf „dringende betriebliche Gründe“ berufen kann, die eine Ablehnung von Homeoffice rechtfertigen. Und noch eines ist klar: Selbstverständlich bezieht sich die Verordnung nur auf Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebs, nicht hingegen auf Dritte (etwa Geschäftspartner, Kunden etc.), weil diese Gruppen nicht von der Rechtssetzungsbefugnis des BMAS erfasst sind.

Das belegt, dass die gutgemeinte Verordnung in der Praxis an vielen Stellen versagen wird – ein stumpfes Schwert!

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der NWB Online-Nachricht  Arbeitsrecht | Corona-Arbeitsschutzverordnung. 

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