Homeoffice: Mit der gesetzlichen Unfallversicherung ist es nicht weit her

Bekanntlich müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern derzeit die Arbeit im Homeoffice anbieten, sofern nicht zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen (vgl. dazu den Blog-Beitrag „Homeoffice geht in die Verlängerung“ von Herrn Prof. Dr. Jahn). Mich persönlich wundert, dass die Frage des Schutzes über die gesetzliche Unfallversicherung dabei nur wenig beachtet wird.

Im Jahre 2018 hat das BSG den Unfallschutz für im Homeoffice arbeitende Arbeitnehmer zwar deutlich gestärkt (BSG-Urteile vom 27.11.2018, B 2 U 8/17 R und B 2 U 28/17 R). Ich möchte aber nachfolgend kurz ein Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vorstellen, das zeigt, wie schnell das Pendel in Richtung „Privatunfall“ ausschlagen kann (Urteil vom 9.11.2020, L 17 U 487/19):

Der Kläger ist als Gebietsverkaufsleiter seit mehreren Jahren im Außendienst versicherungspflichtig beschäftigt. Er arbeitet dabei regelmäßig auch im Homeoffice. Im September 2018 stürzte er auf dem Weg von den Wohnräumen in seine Büroräume eine Wendeltreppe hinunter. Dabei erlitt er einen Brustwirbeltrümmerbruch. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Es liege kein Arbeitsunfall vor. Der Sturz habe sich im häuslichen Wirkungskreis und nicht auf einem versicherten Weg ereignet. Das LSG stützt diese Auffassung.

Die Begründung der Richter: Der vom Kläger zurückgelegte Weg sei weder als Weg nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (wege)unfallversichert, noch als versicherter Betriebsweg anzusehen. Bei der Wegeunfallversicherung beginne der Versicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes.

Nun kommt der entscheidende Satz: Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließe, könne ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert sein (Quelle: Pressemitteilung des LSG NRW vom 5.5.2021).

Die Annahme eines Betriebsweges scheide aus, da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befunden habe. Es handele sich bei Betriebswegen um Strecken, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt würden. Vor- und Nachbereitungshandlungen der versicherten Arbeitsleistungen fielen nicht darunter. Der Kläger habe den Weg zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen.

Die Revision ist beim Bundessozialgericht unter dem Az. B 2 U 4/21 R anhängig.

Im Jahre 2019 hat das SG München übrigens entschieden, dass Arbeitnehmer im Homeoffice nicht gesetzlich unfallversichert sind, wenn sie beim Gang zur Toilette stürzen und sich verletzen. Während Arbeitnehmer beim Toilettengang im Betrieb gegen Unfälle versichert sind, greift der Schutz im Homeoffice nicht, weil der Arbeitgeber dort keinen Einfluss auf die Sicherheit hat (SG München vom 4.7.2019, S 40 U 227/18).

Ich bin sicher, dass alsbald weitere Verfahren vor den Sozialgerichten landen werden. Und der eine oder andere wird sehr enttäuscht sein, wenn seine Ansprüche zurückgewiesen werden, obwohl er mit großer Sicherheit davon ausgegangen ist, bei der Tätigkeit zuhause versichert gewesen zu sein.

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