Sinkende Inzidenzzahlen, steigende Impfquote: Deutschland befindet sich auf einem guten Kurs hinaus aus der Corona-Pandemie. Im Angesicht der aktuellen Situation sollten die strengen Homeoffice-Regeln gelockert werden – nicht irgendwann, sondern sofort.
Hintergrund
Kern der im Zuge der Corona-Pandemie am 20.1.2021 beschlossenen Corona-ArbSchV (BAnz AT v. 22.2.2021 V1) ist zur Eindämmung von Infektionsrisiken am Arbeitsplatz die Verpflichtung des Arbeitgebers, Homeoffice der Arbeitnehmer zu ermöglichen, wo immer dies möglich ist (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV). Diese Verpflichtung ist mehrfach verschärft worden: Bundestag (am 21.4.2021, BT-Drs. 19/28444) und Bundesrat (am 22.4.2021, BR-Drs. 315/21) haben die Homeoffice-Pflicht in Gesetzesrang erhoben (§ 28b Abs. 7 IfSG). Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten im Fall von Büro- oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten, diese Tätigkeit in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Beschäftigte müssen dieses Angebot grundsätzlich annehmen, wenn nicht räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung dem entgegenstehen. Die Regelungen gelten bis 30.6.2021, bei Verstößen drohen den Betrieben sogar Bußgelder.
Veränderte Rahmenbedingungen erfordern Anpassung der rechtlichen Regelungen
Die politisch relevanten Inzidenzzahlen sind nach den Beschlüssen von April rapide gesunken. Am 30.5.2021 meldet das RKI, dass bundesweit kein einziges Land mehr eine Inzidenz größer 50 ausweist. Gleichzeitig ist die Impfrate erfreulich angestiegen: Über 41,5 Prozent der deutschen Bevölkerung ist Ende Mai erstgeimpft, rund 15 Prozent vollständig geimpft. Anfang Mai 2021 hat Bundesregierung (BT-Drs. 19/29257) für getestete Personen bereits eine Gleichstellung von geimpften und genesenen Personen beschlossen – eine deutliche Erleichterung!
Angesichts dieses Umfeldes sollten meines Erachtens die strengen Regeln für Homeoffice und Testverpflichtung in der Corona-ArbSchV gelockert werden – und zwar vor dem Befristungsende am 30.6.2021. Richtig ist, dass hybrides Arbeiten wechselweise im Büro oder zu Hause die künftige Arbeitswelt bestimmen wird, wo diese Flexibilität möglich ist. Homeoffice bringt Beschäftigten aber nicht nur Vorteile wie eingesparte Fahrtzeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder angenehmen Arbeitsbedingungen, sondern auch Nachteile wie häufig gestörtes Arbeiten oder fehlende soziale Kontakte zu Arbeitskollegen. Vor allem spricht gegen eine gesetzliche Verpflichtung aber, dass der damit verbundene Eingriff in Freiheitsrechte von Arbeitnehmer/innen und Unternehmen einer rechtlichen Rechtfertigung bedarf, die aus einem „allgemeinen Vorsichtsprinzip“ sicher nicht hergeleitet werden kann. Aus Unternehmenssicht ist dabei zusätzlich eine massive Kostenbelastung zu berücksichtigen, die mit zusätzlichem Digitalisierungsaufwand am häuslichen Arbeitsplatz bei gleichzeitigen Sowieso-Kosten im Betrieb verbunden sind. Und auch volkswirtschaftlich macht eine Homeoffice-Pflicht ohne nachweisbares erhöhtes Infektionsrisiko wenig Sinn: Wenn flächendeckend zu Hause gearbeitet wird, entfällt eben auch der Einkaufsbummel oder Kneipenbesuch nach der Arbeit. Nach Schätzungen der Unternehmensberatung PwC könnte der Homeoffice-Effekt bereits 2021 zu einem 15 Mrd. Euro niedrigen Bruttoinlandsprodukt führen. Deshalb: Beim Homeoffice sollte aus dem „Muss“ ein „kann“ werden, nicht irgendwann, sondern umgehend.
Quellen
21-04-21-RefE_Dritte Änderung_Corona-ArbSchV-Stand 10.30-Reinfassung-Bundesanzeiger (bmas.de)
Deutscher Bundestag – Bundestag beschließt Ausnahmen für Corona-Geimpfte und -Genesene
Das ist wirklich ein super spannendes Thema. In meiner Firma waren wir jetzt sehr lange im Homeoffice. Dafür habe ich mich auch gescheit eingerichtet, was wirklich nicht wenig war (https://www.betriebsrat.de/betriebliches-gesundheitsmanagement/veroenderungen-des-betrieblichen-gesundheitschutzes/technische-voraussetzungen-homeoffice.html). Aber wenn man so lange von zuhause aus arbeiten muss, dann geht das nicht einfach nur mit einem kleinen Laptop. Da braucht man schon so einiges mehr. Meiner Meinung nach sollte (da wo es möglich ist) dauerhaft eine Pflicht bestehen, dass der Arbeitgeber Homeoffice ANBIETEN muss. Zumindest für ein paar Tage im Monat. In den meisten Berufen ist das ja mittlerweile super gut möglich, das hat Corona bewiesen. Warum nicht weiter so?
Ich bin sehr gespannt, was sich da in den nächsten Jahren entwickeln wird.
LG Michael