Das ist für uns alle Neuland – So könnte man das beim EuGH anhängige Verfahren in der Rechtssache C-648/15 beschreiben. Denn zum ersten Mal überhaupt entscheidet der Gerichtshof über eine Streitigkeit zwischen zwei Mitgliedstaaten aufgrund eines Schiedsvertrags.
Gegenstand des Verfahrens ist – natürlich – ein Steuerstreit. Beide Staaten konnte keine Einigung über das Besteuerungsrecht an Zinsen auf Genussscheine finden, welche die Bank Austria von der WestLB erworben hatte. Nachdem das Verständigungsverfahren mindestens drei Jahre ohne Ergebnis blieb, rief Österreich den Europäischen Gerichtshof an. Inhaltlich haut einen der Streit jetzt wirklich nicht so ohne weiteres vom Hocker, was allerdings auch ohne größere Bedeutung bleibt. Denn im Vordergrund stehen die technischen Fragen des Verfahrens, welches bislang ja nur ein rein theoretisches Konstrukt war.
Hierzulande blieb das Verfahren dennoch bislang weitgehend unbeachtet, ganz anders als in Österreich. Das mag auch daran liegen, dass die maßgebliche Schiedsklausel im Doppelbesteuerungsabkommen wesentlich auf unsere Alpennachbarn zurückgeht. Vor wenigen Tagen wurden nur die Schlussanträge des Generalanwalts veröffentlicht. Betraut war mit der Aufgabe Paolo Mengozzi, mit knapp 80 Lebens- und über zehn Dienstjahren einer der erfahrensten Generalanwälte am Gerichtshof.
In seinen sehr lesenswerten Ausführungen geht Mengozzi zunächst ausführlich auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs ein. Auf den ersten Blick überrascht es womöglich, dass der EuGH überhaupt in Schiedssachen tätig werden kann. Die EU-Verträge sehen das allerdings explizit für solche Streitigkeiten vor, die mit ihnen im Zusammenhang stehen. Daran sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Bei einem Doppelbesteuerungsabkommen hält Mengozzi den Zusammenhang wegen der Binnenmarktförderung der Abkommen zutreffend für unproblematisch. Insofern können entsprechende Abkommensabreden künftig Schule machen. Aufgrund seiner Überparteilichkeit und Fachkompetenz dürfte eine EuGH-Entscheidung weit mehr allgemeine Akzeptanz finden, als bei einem von den Streitparteien berufenen Schiedsgericht.
Eine zweite interessante Fragestellung ist sodann noch die Vollstreckbarkeit des Urteils. Gerade in Deutschland ist ja bekannt, dass man sich im Zweifel eben nicht an die „nur“ völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden fühlt. Das könnte man sich bei einer unionsrechtlichen Verpflichtung nicht so leicht erlauben. Allerdings stellt der Generalanwalt dar, dass eine unionsrechtliche Vollstreckbarkeit nur aus einer expliziten Schiedsabrede folgen könne. Daran fehlt es im Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich aber gerade. Insofern bleibt es bei der rein völkerrechtlichen – kaum justiziablen – Umsetzungsverpflichtung.
Wie der Generalanwalt die Streitfrage inhaltlich sieht, lesen Sie morgen im zweiten Teil des Beitrags.