Bereits vor einiger Zeit hatte ich den Blog-Beitrag „Mandatsniederlegung bei fehlender Verfahrensdokumentation?“ geschrieben. Natürlich wurde daraufhin mit Unverständnis reagiert. Dennoch möchte ich an dieser Stelle – aus aktuellem Anlass – noch einmal auf die Gefahr einer fehlenden Verfahrensdokumentation insbesondere zur Kassenführung hinweisen.
Zum Hintergrund: Nach § 146b AO haben von einer Kassen-Nachschau betroffene Steuerpflichtige auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen vorzulegen. Die Vorschrift gilt seit dem 1. Januar 2018. Sie ist letztlich zurückzuführen auf das BFH-Urteil vom 25.03.2015 (X R 20/13, BStBl 2015 II S. 743). Hier hat der BFH entschieden, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichstehe. Zudem seien die Betriebsanleitungen im Rahmen der Betriebsprüfung vorzulegen. Das heißt im Klartext: Das Fehlen der Organisationsunterlagen steht dem Fehlen von Z-Bons gleich. Und wenn Z-Bons fehlen, können Umsätze letztlich nur geschätzt (worden) sein. Insoweit kann auch auf das aktuelle Urteil des FG Düsseldorf vom 24.11.2017 (13 K 3811/15) hingewiesen werden (siehe hierzu Dr. Bleschick in NWB 11/2018, S. 680 mit interessanten Anmerkungen).
Wenn nun ein Steuerberater Umsatzsteuer-Voranmeldungen und/oder Jahresabschlüsse erstellt, obwohl er weiß, dass sein Mandant die Verfahrensdokumentation nicht gefertigt hat, bedeutet das nichts anderes, als dass er geschätzte Werte seiner Mandanten übernommen hat. Damit ist von vornherein ein Verstoß gegen die GoBD gegeben. Ob darüber hinaus eine Beihilfe an einer potenziellen Steuerverkürzung gegeben ist (wenn tatsächlich fehlende Umsätze festgestellt werden), mögen Strafrechtler beurteilen. Sehr instruktiv ist insoweit der Aufsatz von Dr. Wenzel in NWB 41/2011, S. 3449 (dort Beispiel 7). Danach könnte wohl eine Beihilfe zu bejahen sein.
Ich darf Ihnen hier versichern, dass die Finanzverwaltung die Haftungsbescheide gegen Berater erlassen wird, wenn die im Zuge der Kassen-Nachschauen festgesetzten Mehrsteuern von den Steuerpflichtigen nicht einzutreiben sind und nachgewiesen wird, dass der Berater vom Fehlen der Verfahrensdokumentation Kenntnis hatte. Die Berufshaftpflicht läuft dann übrigens wohl ins Leere, wenn die Haftungsbescheide tatsächlich Bestand haben.
Meine Kollegin Jutta Liess empfiehlt, man solle sich von seinem jeweiligen Mandanten schriftlich bestätigen lassen, dass man ihn umfassend über die aktuellen Anforderungen der Kassenführung aufgeklärt habe und die Verantwortung und Haftung ausschließlich der Unternehmer trage (GStB 3/2018, S. 96). Ob´s hilft? Ich weiß es nicht.
Ich selbst jedenfalls kann an dieser Stelle nur wiederholt die Empfehlung geben, die Verfahrensdokumentation zur Kassenführung zu erstellen. Die Erstellung dauert im Regelfall nur wenige Minuten, sofern keine umfassenden Kassensysteme im Einsatz sind. Begeben Sie sich gar nicht erst aufs „Glatteis“, indem Sie die Barumsätze Ihrer Mandanten ohne vorhandene Verfahrensdokumentation buchen.
Weitere Informationen:
- Bleschick, Schätzung eines Gastronomiebetriebs anhand zweier Tagesendsummenbons aus Folgejahren, NWB 11/2018 S. 680
- Wenzel, Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Berater – Steuerhinterziehung nach § 370 AO, NWB 2011 S. 3449
(für Abonnenten jeweils kostenfrei) - BFH v. 25.03.2015 – X R 20/13
- FG Düsseldorf v. 24.11.2017 – 13 K 3811/15 G,U
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag im NWB Experten-Blog:
So funktioniert die Kassen-Nachschau
Eventuell sind fehlende Prtokolle doch nicht mehr ganz so schlimm „https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/728685/“ zumindest bei bestimmten Kassen.