Grundsteuerreform: Jetzt geht’s in die heiße Parlamentsphase!

9/11 hat seit 2001 für uns alle eine besondere Bedeutung. In diesem Jahr kommt noch eine weitere hinzu: Am 11.9.2019 erfolgt im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Expertenanhörung zur geplanten Grundsteuerreform. In der ersten Anhörung geht es  um den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Grundgesetzes, Art. 72, 105 und 125b GG (BT-Drs. 19/11084). In der zweiten Anhörung zur Reform der Grundsteuer beschäftigt sich der Finanzausschuss mit den Gesetzentwürfen von CDU/CSU und SPD zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (BT-Drs. 19/11085) sowie zur Änderung des Grundsteuergesetzes und zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (BT-Drs. 19/11086). Darüber hinaus sollen sich die geladenen Sachverständigen auch zu Anträgen der AfD (BT-Drs.19/11125), der FDP (BT-Drs.19/11144) und der Linken (BT-Drs. 19/7980) äußern.  Kann ein Reformpaket bis Jahresende wirklich noch gelingen?

Was ist Gegenstand der Expertenanhörung?

Anhörung zur Änderung des Grundgesetzes

Die Länder sollen bei der Grundsteuer mehr Mitspracherechte erhalten, für eine solche „Öffnungsklausel“ ist aber eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Dazu dient der  Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (BT-Drs.19/11084), durch den der Bund mit der Änderung der Grundgesetzartikel 72, 105 und 125b uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten soll. Zugleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet.

Im  Gesetzentwurf heißt es, da die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Wissenschaft nicht einheitlich beurteilt werde, solle diese unzweifelhaft abgesichert werden, der Bund über eine Grundgesetzänderung also uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten. Zugleich soll den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Abs. 3 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet werden. Gerade die Grundsteuer biete sich aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung vorhandenen kommunalen Hebesatzrechts dafür an, die Steuerautonomie der Länder zu stärken.

Anhörung zur Bewertung und Bauland­mobilisierung – Regierungsentwurf

Nach dem Entwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (BT-Drs.19/11085) soll für die Erhebung der Steuer in Zukunft nicht allein auf den Bodenwert zurückgegriffen werden, sondern es sollen auch Erträge wie Mieteinnahmen berücksichtigt werden. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer nach anderen Bewertungsverfahren erheben können. Zur Vereinfachung des Verfahrens wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Soll-Ertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen.

Auch in Zukunft werden die Gemeinden die Höhe der Grundsteuer mit örtlichen Hebesätzen bestimmen können. Um strukturelle Erhöhungen der Steuer zu vermeiden, appellieren CDU/CSU- und SPD-Fraktion an die Kommunen, die Hebesätze entsprechend abzusenken. In einem weiteren Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/11086) ist vorgesehen, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, einen erhöhten, einheitlichen Hebesatz auf baureife Grundstücke festzulegen. Mit dem erhöhten Satz könnte dann über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz gegeben werden, baureife Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen.

Antrag der AfD-Fraktion

Mit dem Antrag  „Echte Gemeindesteuerreform statt Reparatur der Grundsteuer“ (BT-Drs.19/11125) fordert die AfD, das System der herkömmlichen Grundsteuer abzuschaffen und einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die notwendige Gegenfinanzierung für die Gemeinden durch eine hebesatzfähige Beteiligung an der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer beziehungsweise eine angemessene Anhebung des Hebesatzes bei der Gewerbeertragsteuer sicherstellt. Das von der Bundesregierung vorgelegte Verkehrswertmodell, das von der tatsächlichen oder einer fiktiven Nettokaltmiete als Maßstab die Bewertung ausgeht, hält die AfD-Fraktion angesichts von 35 Mio. neu zu bewertender Immobilien als sehr zeitaufwändig und nur mit großem bürokratischen Aufwand umsetzbar. Finanzverwaltung und Finanzgerichten drohe eine Überlastung, die Steuergerechtigkeit im Einzelfall könne dabei nicht mehr gewährleistet werden.

Nach Ansicht der AfD bleibt die eigentliche Problematik der Grundsteuer auch nach einer Reform bestehen. Das Prinzip der verfassungsrechtlich gesicherten Steuerfreiheit des Existenzminimums werde verletzt. Hinzu komme, dass die bisherige Grundsteuer Eigentümer und Mieter von Wohneigentum in gleicher Weise belaste. Als Alternative schlägt die AfD vor, den Gemeinden ein eigenes Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer einzuräumen. Die örtliche Wirtschaft solle als Ersatz für die wegfallende Grundsteuer eine höhere Gewerbesteuer zahlen.

Antrag der FDP-Fraktion

Die FDP fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag l „Grundsteuer – Einfaches Flächenmodell ohne automatische Steuererhöhungen“ (BT-Drs.19/11144) insbesondere auf,  einen Gesetzentwurf für eine einfache flächenbasierte Grundsteuer vorzulegen. Dabei sollten ausschließlich die Fläche des Grundstücks sowie die Gebäudenutzfläche sowie die jeweiligen Äquivalenzzahlen und Hebesätze herangezogen werden. Im Übrigen solle verzichtet  werden, wertabhängige und aufwendig zu erhebende Faktoren zu nutzen.

Stattdessen will die FDP die bürokratischen Belastungen bei der Reform der Besteuerung des Grundvermögens für die Bürgerinnen und Bürger minimieren. Die Grundsteuer soll vorbehaltlich des kommunalen Hebesatzrechts aufkommensneutral reformiert werden. Den Umfang der Datenerhebung für den Länderfinanzausgleich will die Fraktion ebenfalls so gering wie möglich halten.

Antrag der Linken-Fraktion

Die  Linken fordern eine „Sozial gerechte Grundsteuer-Reform für billigere Mieten und starke Kommunen“ (19/7980). Die Grundsteuer solle als bundeseinheitlich geregelte Einnahmequelle der Kommunen mit eigenem Hebesatzrecht erhalten bleiben. Bemessungsgrundlage von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen der Grundsteuer B solle der Verkehrswert sein. Weiter fordern die Linken, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Rahmen der Betriebskostenverordnung aufgehoben und die Grundsteuer ausschließlich von den Eigentümern entrichtet werden soll. Nicht profitorientierte, gemeinwohlorientierte sowie genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sollen von der Grundsteuer befreit werden. Die Kommunen sollen für unbebaute, baureife Grundstücke ein eigenständiges Hebesatzrecht, die sogenannte Grundsteuer C, erhalten.

Was ist zu erwarten?

Der Vorschlag, die umstrittene konkurrierende Gesetzgebung des Bundes durch Ergänzung des GG eindeutig zu regeln, ist sicher zu begrüßen. Die Regierung will ferner mit Länderöffnungsklausel den Föderalismus und die Gestaltungsfreiheit der Länder stärken. Ob das so einfach wird, darf mit Spannung abgewartet werden. Denn für eine Änderung des GG ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich (Art. 79 Abs. 2 GG). Bei 709 Mandaten im aktuellen Deutschen Bundestag verfügt die Regierungsmehrheit aus CDU/CSU (246) und SPD (152) aber insgesamt nur über 398 Sitze; folglich ist eine breite Unterstützung aus dem Oppositionslager erforderlich.

Hinsichtlich des Bewertungsrechts will die Regierungskoalition eine grundlegende Neuorganisation mit Vereinfachungen; dieses Modell wird von der FDP rundum abgelehnt, weil es zu bürokratisch und verwaltungsaufwendig ist. Die AfD fordert die vollständige Abschaffung, die Fraktion der Linken die Abschaffung der Abwälzbarkeit der Grundsteuer auf Mieter. Auch wenn dieser Teil des Reformpakets im Bundestag nur eine einfache Mehrheit erfordert, belegen die abweichenden Fraktionsanträge, wie kompliziert die Gemengelage ist. Deshalb darf mit Spannung abgewartet werden, welche neuen Einsichten die Expertenanhörung am 11.9.2019 bringt. Eines ist klar: Irgendwie muss ein Kompromiss gefunden werden, sonst stehen nach Ablauf des Jahres die Kommunen ohne 14 Mrd. Grundsteuereinnahmen da – das wäre ein schlechter Start ins Jahr 2020!

Weitere Informationen:

Bundestagsdrucksachen:


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