Am 11.9.2019 haben im Anhörungsverfahren des BT-Finanzausschusses zur Umsetzung der Grundsteuerreform die Experten eine Änderung des GG ausdrücklich befürwortet. Damit ist der Weg frei für eine bürokratiearme Umsetzung der Grundsteuerreform, jedenfalls auf Länderebene. Nach Ansicht der Bundesregierung kann das Reformziel, die Grundsteuer bis zum 31.12.2019 neu zu regeln, nun eingehalten werden.
Hintergrund
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (10.4.2018 – 1 BvL 11/14) sind die bisherigen Bewertungsregeln verfassungswidrig. Eine Neuregelung der Grundsteuer muss nach dem Auftrag des BVerfG bis Ende 2019 im Bundesgesetzblatt stehen – danach besteht bis 2024 Zeit, die Grundlagen für die Anwendung des neuen Rechts zu schaffen. Am 11.9.2019 fand im Finanzausschuss des Bundestages die Expertenanhörung zu den Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen (BT-Drs. 19/11084 und BT-Drs. 19/11085), ferner zu den abweichenden Anträgen der Oppositionsfraktionen (BT-Drs. 19/11125 – AfD; BT-Drs. 19/11144 – FDP; BT-Drs. 19/7980 – Die Linken) auf der Tagesordnung.
Wertorientiertes Bewertungsmodell oder Orientierung an Grundstücks- und Gebäudeflächen?
Ein zentraler Streitpunkt der Grundsteuerdiskussion ist, ob die Neuregelung an die Marktwerte von Grundstücken und Gebäuden anknüpfen soll oder ob sie sich allein an den Grundstücks- und Gebäudeflächen orientieren muss. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/11085) hält im Kern an einem wertorientierten Modell fest. Dies ist nicht nur aus Sicht der privaten Grundstückseigentümer, sondern auch aus Sicht der Unternehmen eine unbefriedigende Lösung: Es entstünde ein enormer bürokratischer Aufwand sowohl in der Finanzverwaltung, als auch in den Unternehmen, um die erforderlichen Wertfeststellungen zu treffen. Hinzu käme, dass die bei diesem Modell vorgesehenen Bodenrichtwerte von regional unterschiedlich besetzten Gutachterausschüssen festgelegt werden müssten: ein ziemlich intransparentes Verfahren! Neben dem Bürokratieaufwand hätte ein wertorientiertes Modell folglich das hohe Risiko, dass sich auch in Zukunft langjährige Gerichtsverfahren anschließen. Das kann niemand ernsthaft wollen!
Grundgesetzänderung ermöglicht Länderöffnungsklausel für einfaches Flächenmodell
In der Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 11.9.2019 haben die Verfassungsjuristen eine Ergänzung des Grundgesetzes zur Absicherung der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz sowie Einführung einer Länderöffnungsklausel (Art. 72 Abs. 3, 105 und 125 b GG) nicht nur uneingeschränkt begrüßt, sondern zum Teil für zwingend notwendig und als Vorbedingung einer Grundsteuerreform erklärt. Für die Änderung des GG ist freilich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich, auch der Bundesrat muss zustimmen (Art. 79 Abs. 2 GG). Eine solche Öffnungsklausel wäre aber unbedingt zu begrüßen: Denn sie schafft den Ländern die Möglichkeit, ein eigenes, vom Bundesrecht abweichendes Grundsteuerkonzept umzusetzen. Das Land Bayern etwa will diese Chance für ein einfacheres Grundsteuerkonzept nutzen, bei dem nur die Fläche des Grundstücks sowie die Nutzfläche des Gebäudes für die Höhe der Grundsteuer maßgeblich ist. Demgegenüber wären in einem wertabhängigen Modell alle Immobilien gesondert nach dem sogenannten Sachwertverfahren zu bewerten – sehr aufwändig! Aufwändige Bewertungsverfahren werden im Übrigen alle sieben Jahre erforderlich – eine immense Belastung von Unternehmen und Finanzverwaltung, der jährliche Bewertungsaufwand wird alleine für die Unternehmen auf rund 100 Mio. € im Jahr geschätzt. Die jetzt umzusetzende Grundsteuerreform sollte auch mit der Digitalisierung Ernst machen. Wenn daran ein einfaches Flächenmodell anknüpfen würde, könnte auf bereits vorhandene digitale Daten in Liegenschafts-, Grundbuch- und Bauämtern zurückgegriffen werden. Die Digitalisierung könnte also die Steuererhebung auch erheblich beschleunigen. Das wäre vor allem im Interesse der Kommunen, die auf Einnahmen von mehr als 14 Mrd. Euro im Jahr dringend angewiesen sind.
Wie geht’s weiter?
Nach der Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages steht nun die weitere Lesung der Gesetzentwürfe im Deutschen Bundestag an, im Anschluss muss der Bundesrat damit befasst werden. Die Bundesregierung geht aber fest davon aus, dass das Grundsteuerreformgesetz spätestens zum 31.12.2019 beschlossen und zum 1.1.2020 in Kraft treten wird. Dies ergibt sich aus einer Regierungsantwort (BT-Drs. 19/12517) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/12122). Warten wir mal ab!
Weiterführende Informationen:
BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14