Grundsicherung: Jobcenter muss Unterkunftskosten trotz teilweiser Büronutzung übernehmen

Viele selbstständig Tätige sind derzeit auf die Grundsicherung angewiesen, weil sich ihre finanzielle Situation während der Corona-Pandemie erheblich verschlechtert hat. Auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit heißt es zwar „Wir lassen Sie mit Ihren finanziellen Sorgen in der Corona-Krise nicht allein“, doch wenn es tatsächlich „ans Geld des Jobcenters“ geht, sieht die Welt anders aus.

Jüngst musste sich das LSG Nordrhein-Westfalen mit der Frage befassen, inwieweit Unterkunftskosten über die Grundsicherung zu ersetzen sind, wenn eine Wohnung teilweise auch gewerblich als Büro genutzt wird.

Das Urteil: Eine Wohnung ist selbst dann als Unterkunft in Sinne des § 22 SGB II zu qualifizieren, wenn sie teilweise als Büro genutzt wird, solange Büro- und Wohnflächen nicht voneinander abgrenzbar sind (Beschluss vom 13.1.2021, L 7 AS 1874/20 B ER). Fazit: Die Unterkunftskosten sind voll zu ersetzen.

Der hier etwas vereinfachte dargestellte Sachverhalt: Der Antragsteller ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die eine Gaststätte betreibt. Er lebt in einer Wohnung, die er einerseits als Privatperson und andererseits als GmbH-Geschäftsführer zu einer monatlichen Gesamtmiete von rund 1.600 Euro angemietet hat. Seit März 2020 ist der Betrieb der von der GmbH betriebenen Gaststätte coronabedingt untersagt. Seitdem erhält der Antragsteller kein Einkommen mehr von dieser. Er beantragte daher SGB II-Leistungen gab an, die Räume dienten zur Hälfte der GmbH als Büro und zur anderen Hälfte als Wohnung. Das Jobcenter bewilligte ihm Leistungen für die Unterkunft nur in Höhe des Teils, der auf die Privatnutzung entfiel. Eine Übernahme von Verpflichtungen der GmbH sei ausgeschlossen. Hiergegen hatte der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Köln erhoben und zugleich beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung der vollen Unterkunftskosten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten. Ohne diese drohe ihm angesichts der Räumungsklage Obdachlosigkeit. Die Wohnung werde nur von ihm genutzt. Zwar hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt; die Beschwerde des Gastwirts hatte aber Erfolg.

Das LSG hat das Jobcenter vorläufig zur Übernahme der weiteren Kosten verpflichtet. Der Antragsteller habe Anspruch auf Übernahme der vollen Unterkunftskosten. Denn er sei neben der GmbH in eigener Person berechtigt, die gesamte Wohnung zu nutzen, und verpflichtet, die gesamte Miete zu zahlen. Es sei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass es sich bei dem gesamten Mietobjekt um eine Unterkunft des Antragstellers gemäß § 22 SGB II handele. Der Umstand, dass die Wohnung auch als Büro diene, ändere an ihrer Qualifizierung als Wohnung nichts, solange es sich bei den Büroflächen nicht um von der Wohnung des Antragstellers abgrenzbare Flächen handele. Wenn ein Leistungsberechtigter in der Wohnung zugleich arbeite, werde die Qualifizierung der gesamten Unterkunft als Wohnung nicht in Frage gestellt, solange dies Räume seien, die im Übrigen den Wohnungsbegriff erfüllten. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten sei derzeit aufgrund der cornoabedingten übergangsweisen Rechtslage (§ 67 Abs. 1, 3 SGB II) nicht zu prüfen.

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