Air Berlin, Alno, Beate Uhse …. Auch namhafte Unternehmen sind nicht vor der Pleite sicher. Kann bei der Abschlusserstellung von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen werden? Diese Frage treibt den Abschlussersteller wie auch den Abschlussprüfer um. Das Institut der Wirtschaftsprüfer hat jüngst den Entwurf einer Neufassung des einschlägigen Prüfungsstandards IDW PS 270 n.F. vorgelegt. Damit soll insbesondere eine Anpassung an geänderte internationale Regelungen erreicht werden. Für die Bilanzierer gewinnen die IDW-Vorschläge Relevanz, als sie sich mit ihrem Prüfer über die Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme (Going Concern) oder deren Aufgabe auseinandersetzen müssen (Break-Up).
In der Folge einer Aufgabe der Fortführungsannahme kann insbesondere Anlage- und Umlaufvermögen abzuwerten sein und der Ansatz aus einer Liquidation folgender Schulden erforderlich werden. Zudem löst die im Abschluss aufzudeckende Aufgabe der Fortführungsannahme das Risiko der selbsterfüllenden Prophezeiung aus, weil Geschäftspartner und Fremdkapitalgeber dazu neigen werden, keine Risiken einzugehen. Unternehmen neigen daher dazu, solange es irgendwie geht an der Fortführungsannahme festzuhalten. Damit kommt dem Abschlussprüfer die unangenehme Aufgabe zu, bei nicht mehr vertretbarer Fortführungsannahme den Spielverderber zu spielen.
Selbst wenn die Fortführungsannahme noch nicht aufzugeben ist, muss das Unternehmen gegebenenfalls über bestandsgefährdende Risiken berichten. Bisher war diese Berichterstattung in den Risikobericht des Lageberichts aufzunehmen. Nunmehr soll darüber grundsätzlich im Anhang berichtet werden, wobei die Berichterstattung im Lagebericht nicht entfällt, sofern ein solcher aufzustellen ist. Das IDW sieht jedoch eine Verweismöglichkeit, um eine Doppelberichterstattung zu vermeiden.
Auch die Terminologie wird geändert, um enger an den Wortlaut der Bezeichnung in den internationalen Standards heranzurücken. Risiken, die zur Bestandsgefährdung führen können, werden neuerdings als „wesentliche Unsicherheit“ im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten bezeichnet, die einzeln oder insgesamt bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können. Weil dieses Wortungetüm aber nicht dem deutschen Gesetzeswortlaut entspricht, soll in einschlägigen Fällen darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um bestandsgefährdende Risiken handelt.
In der Regel wird der Abschlussprüfer sich insbesondere mit der Finanzplanung des Mandanten für mindestens die nächsten 12 Monate auseinandersetzen. Dabei wird die Beschäftigung mit der Fortführungsannahme neuerdings stärker in den risikoorientierten Prüfungsansatz eingebettet. Werden Ereignisse oder Gegebenheiten identifiziert, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, sind Prüfungsnachweise zu gewinnen, die klären ob bestandsgefährdende Risiken vorliegen. Dabei kann beispielsweise eine vertiefte Analyse der Prognosezahlen, die Beschaffung und Würdigung von Nachweisen zu Kreditlinien oder zur Realisierbarkeit von geplanten Veräußerungen zur Liquiditätsbeschaffung, Darlehensaufnahmen, Umstrukturierung von Schulden, Ausgabenreduzierungen in Betracht kommen. Prognosezahlen sind auf ihre Verlässlichkeit und Begründetheit zu untersuchen. Für die Prüfung kleiner und mittelständischer Unternehmen sind Vereinfachungen vorgesehen.
Aufgrund der kürzlich veröffentlichten Neufassung der Standards zum Bestätigungsvermerk (IDW PS 400 n.F. ff.) ergeben sich auch Änderungen für die Folgerungen im Hinblick auf Going Concern. Diese betreffen einerseits die Bezeichnung des Testats als auch in Teilen die Ausgestaltung. Unverändert ist jedoch ein Versagungsvermerk im Fall der vom Prüfer nicht mitgetragenen Fortführungsannahme zwingend. Ist wegen eines Prüfungshemmnisses eine Beurteilung nicht möglich, erfolgt neuerdings die „Nichtabgabe eines Prüfungsurteils“. Weitere Besonderheiten ergeben sich aufgrund der EU-Abschlussprüfer-Verordnung für die Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannte PIE).
Der Standardentwurf ist leider nicht leicht lesbar und erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick, was für viele neuere Prüfungsstandards des IDW gilt, die in weiten Teilen nur noch die International Standards on Auditing (ISA) in die deutsche Sprache transferieren. Mit zwei Aufsätzen in der NWB WP Praxis habe ich versucht, eine erste Annäherung an die Neuregelung vorzunehmen (siehe Nachweise unten).
Weitere Informationen (kostenfreier Zugriff für Abonnenten):
- Mujkanovic, Going Concern und Prüfungsvorgehen, NWB WP Praxis 2018, S. 81-87
- Mujkanovic, Probleme mit Going Concern und Folgen für das Prüfungsurteil, NWB WP Praxis 2018, S. 116-120
- Mujkanovic, Eigenkapitalmaßnahmen zur Sicherung von Going Concern, StuB 2014, S. 293-298
- Mujkanovic, Going Concern durch nicht direkt das Eigenkapital verändernde Maßnahmen, StuB 2014, S.373-379
- Mujkanovic, Die Erstellung von Sanierungskonzepten, NWB WP Praxis 2014, S. 280-285
- Mujkanovic, Feststellung des Vorliegens von Insolvenzgründen – Grundsätze der Beurteilung nach IDW S11, NWB WP Praxis 2016, S. 276-282