Sitzungsteilnahmen von Aufsichtsräten sind ein heikles Thema, aber ungemein wichtig. Denn wie soll ein Aufsichtsrat, seiner Aufgabe gewissenhaft nachkommen, wenn er in der Hälfte aller Sitzungen durch Abwesenheit glänzt? Eine Pflicht zur Veröffentlichung der Sitzungsteilnahmen von Aufsichtsräten gibt es nicht. Lediglich eine Empfehlung.
Der aktuelle Deutsche Corporate Governance Kodex (5.4.7) äußert sich dazu wie folgt:
„Falls ein Mitglied des Aufsichtsrats in einem Geschäftsjahr nur an der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse, denen es angehört, oder weniger teilgenommen hat, soll dies im Bericht des Aufsichtsrats vermerkt werden. Als Teilnahme gilt auch eine solche über Telefon- oder Videokonferenzen; das sollte aber nicht ie Regel sein.“
So weit so gut. Aber wie ist die Umsetzung in der Praxis? Eine Recherche zeigt: Nicht alle Unternehmen kommen der Empfehlung nach. Ist daher eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Teilnahme erforderlich? Denn schließlich liefert dies für Investoren die Information, inwieweit die Aufsichtsräte ihrer Aufgabe nachkommen. Auch wenn bei Abwesenheit das Protokoll der Sitzung sowie die Unterlagen der Sitzung vorliegen, können persönliche Anwesenheit die Unterlagen insbesondere bei strittigen Themen nicht ersetzen – genau diese müssen in der Sitzung diskutiert werden. Denn immerhin gilt auch eine Teilnahme via Video-Konferenz oder Telefon als Teilnahme.
Die Unternehmen, die in ihrem Geschäftsbericht detaillierte Angaben zur Sitzungsteilnahme der Aufsichtsratsmitglieder machen, können mit einer sehr hohen Anwesenheitsquote glänzen. Es kommt der Verdacht auf, dass Unternehmen, die eine geringe Anwesenheitsquote haben, der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex nicht nachkommen. Es mag anders sein. Doch wieso verheimlichen, wenn sich die Anwesenheit sehen lassen kann? Diese eine Seite sorgt jedenfalls nicht für ein Disclosure Overload.
Zwei börsennotierte Unternehmen zeigen, wie Transparenz in diesem Punkt kurz und prägnant dargestellt werden kann:
- Lufthansa geht mit gutem Beispiel voran. So heißt es im Geschäftsbericht von 2017 (S. 7) wie folgt: „Die Präsenz der Aufsichtsratsmitglieder betrug insgesamt 95 Prozent. Kein Mitglied des Aufsichtsrats hat nur an der Hälfte oder weniger der Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse, denen er angehört, teilgenommen.“ Anschließend erfolgt ein Verweis auf die Homepage, bei der die individuelle Sitzungsteilnahme der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder dargestellt wird.
- Die Allianz hat bereits im Geschäftsbericht von 2015 (S. 29) die Sitzungsteilnahme der Aufsichtsräte einzeln absolut und prozentual aufgelistet. Mit wenigen Ausnahmen haben alle Aufsichtsräte an nahezu allen Sitzungen teilgenommen – eine 100%ige-Anwesenheit ist hier offenbar der Regelfall, nicht die Ausnahme.
Sollte eine gesetzliche Pflicht die fehlenden Angaben bei vielen Unternehmen eingeführt werden? Für Transparenz würde sie auf alle Fälle sorgen. Gerade auch, da das Thema Multi-Aufsichtsräte und ausreichend Zeit für einzelne Mandate immer wieder kontrovers diskutiert werden. Aus Unternehmenssicht würde sich jedoch wieder eine weitere Verpflichtung ergeben. Allerdings wird in den Protokollen die Anwesenheit ohnehin erfasst. Der zeitliche Aufwand für die Berichterstattung wäre damit also überschaubar.
Vielleicht sollten die Aktionäre an dieser Stelle ihre Forderungen bzw. Erwartungen äußern und bezüglich der Anwesenheit der Aufsichtsräte mehr Transparenz fordern. Die kritischen Anmerkungen der Aktionäre werden spätestens in der nächsten Hauptversammlungs-Hochsaison gehört werden.