In der Praxis ist zuweilen folgender Fall anzutreffen: Aktien wurden vor 2009 erworben und zunächst im Betriebsvermögen gehalten. Sie wurden im Laufe der Jahre aus dem Betriebsvermögen entnommen, zumeist weil der Betrieb aufgegeben worden oder weil eine Gesellschaft nur noch – ohne gewerbliche Prägung – vermögensverwaltend tätig ist. Bei der Überführung ist die Wertsteigerung der Aktien auch als betrieblicher Gewinn versteuert worden.
Nun werden die Aktien aus dem Privatvermögen heraus verkauft. Ist die – weitere – Wertsteigerung ebenfalls zu versteuern? Oder gilt hier ein Bestandsschutz, denn immerhin sind die Aktien vor 2009 erworben worden?
Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass die Überführung aus dem Betriebs- ins Privatvermögen einem Erwerb gleichsteht. Das heißt: Die Aktien gelten genauso als angeschafft, als wenn sie seit 2009 über die Börse erworben worden wären. Damit ist die heutige Wertsteigerung zwischen dem Verkauf und der seinerzeitigen Entnahme zu versteuern. Jüngst hat das FG Münster jedoch entschieden, dass die Entnahme einem Erwerb nicht gleichsteht. Ein späterer Veräußerungsgewinn führt deshalb nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen (Gerichtsbescheid vom 26.3.2020, 8 K 1192/18 F).
Der Fall:
Eine GmbH & Co. KG erwarb im Jahr 2007 ein Aktienpaket. Im Jahr 2011 wurde dieses zu Privatvermögen, weil die gewerbliche Prägung endete und die Klägerin zudem die Betriebsaufgabe erklärte. Die stillen Reserven sind im Jahre 2011 auch versteuert worden. Im Jahr 2014 wurde das Aktienpaket, nunmehr aus dem Privatvermögen heraus, veräußert. Das Finanzamt sah in dem entsprechenden Gewinn steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass sie die Aktien vor 2009 erworben habe und ein Veräußerungsgewinn deshalb gemäß der gesetzlichen Übergangsregelung nicht steuerbar sei. Der Klage wurde stattgegeben.
Die Begründung des FG:
Zwar treffe es zu, dass Gewinne aus der Veräußerung von Aktien seit 2009 unabhängig von der Dauer der Behaltensfrist steuerpflichtig seien. Gemäß der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 28 S. 11 EStG gelte dies aber nur für solche Aktien, die vor dem 31.12.2008 erworben worden seien. Unter einem Erwerb im Sinne dieser Vorschrift seien nur Vorgänge zu erfassen, die mit einem Rechtsträgerwechsel einhergingen. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen enthielten auch keine „Erwerbsfiktion“, nach der die Entnahme in das Privatvermögen einem Erwerb gleichstehe. Auch aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 ergebe sich nicht, dass der Gesetzgeber die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen als Erwerb ansehen wollte.
Hinweis:
Das FG hat die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich auch eingelegt wurde (VIII R 12/20). Betroffene sollten die Besteuerung in ähnlichen Fällen nicht hinnehmen, unter Berufung auf das genannte Verfahren Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen und ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens beantragen.
Weitere Informationen:
FG Münster v. 26.03.2020 – 8 K 1192/18 F (Homepage FG Münster)
Rev. BFH: VIII R 12/20