Steuerstrafverfahren sind steuerlich und (steuer-)strafrechtlich anspruchsvoll. Dies ist zum einen auf die inhaltlichen Fragestellungen, zum anderen auf das Nebeneinander von Steuer- und Steuerstrafverfahren zurückzuführen.
Zwei aktuelle Entscheidungen jenseits dieser Dimensionen zeigen wieder einmal: auch die möglichen Nebenfolgen einer Steuerhinterziehung wollen bedacht sein. Denn sie können im Einzelfall schwerer wiegen als die steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit.
Der Beitrag stellt die Entscheidungen vor, bietet einen Überblick über weitere mögliche Nebenfolgen und verweist auf Rechtsprechung und Literatur zum Thema.
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis
Der BayVGH (Beschluss vom 24.9.2015, siehe unter „Nachweise“) wies einen Antrag auf Zulassung der Berufung zurück, mit der sich eine Gastronomin gegen den Widerruf ihrer Gaststättenerlaubnis wehren wollte.
Hintergrund: Der Widerruf erfolgte Anfang des Jahres 2015 durch das Landratsamt. Zugleich untersagte es ihr die Ausübung des erlaubnisfreien Teils ihres Gaststättengewerbes sowie eines Getränkehandels. Die Klägerin sei unzuverlässig. Gründe: Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung mit ihrem Sohn (2012); nicht getilgte Steuerrückstände seit 2011, die sie trotz Ratenzahlungsvereinbarung weiter habe ansteigen lassen; keine Abgabe von Jahressteuererklärungen seit 2007.
Die Gastronomin klagte. Das Bayerische VG Augsburg wies ihre Anfechtungsklagen mit Urteil (Juni 2015) ab. Hiergegen beantragte sie die Zulassung der Berufung wegen (u.a.) ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Der BayVGH lehnte ihren Antrag ab. Die geltend gemachten Zulassungsgründe lägen nicht vor. Denn: Soweit die Klägerin bemängele, das VG Augsburg habe nicht berücksichtigt, dass das abgeurteilte Tatgeschehen Jahre zurückliege und die Klägerin nicht selbst aktiv geworden, sondern nur nominell durch ihren Sohn darin verwickelt worden sei, verkenne sie, dass bereits die Tatsache ihrer Verurteilung wegen gewerbebezogener Straftaten Rückschlüsse auf ihre gewerberechtliche Zuverlässigkeit zulasse.
Auch dass die Tathandlungen in den Jahren 2005 bis 2008 begangen, aber erst im Jahr 2011 aufgedeckt und danach abgeurteilt wurden, wie die Klägerin vortrug, ändere nichts an der sachlichen und rechtlichen Verwertbarkeit des Strafurteils für die – auch auf das aktuelle Verhalten der Klägerin gestützte – Prognose künftiger Unzuverlässigkeit.
Gewerbeuntersagung
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 21.8.2015, siehe unter „Nachweise“) hatte über die Klage eines Unternehmers zu entscheiden, der seit 2011 mit dem Gewerbe „Raumausstatter, Holz- und Bautenschutz, Bodenleger, Parkettleger, Akustik- und Trockenbau, Großhandel mit Textilien“ angemeldet war. Im Februar 2013 wurde gegen ihn durch Strafbefehl eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen festgesetzt. Im Mai 2013 regte das Finanzamt die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an. Der Kläger schulde betriebliche Steuern und Säumniszuschläge iHv rund 100 TEUR. Ein Eingang von Steuererklärungen sei nicht zu verzeichnen.
Im Juni 2014 untersagte die Ordnungsbehörde (Beklagte) dem Kläger auf Dauer die weitere selbständige Ausübung seines Gewerbes sowie die weitere selbständige Ausübung eines jeden anderen Gewerbes. Ferner untersagte sie ihm die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbetreibenden beauftragen Person für das angegebene und alle anderen Gewerbe. Grund: Der Kläger sei wegen der Nichterfüllung seiner steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten als unzuverlässig anzusehen (§ 35 Abs. 1 GewO).
Hiergegen erhob der Gewerbetreibende im Juli 2014 Klage. Seine Argumente: Bei den Steuerrückständen handele es sich überwiegend um Säumniszuschläge. Bis zur mündlichen Verhandlung werde er eine ordnungsgemäße Buchhaltung nachweisen, die rückständigen Steuern zahlen und damit belegen, dass er in der Lage sei, einen Betrieb ordnungsgemäß zu führen.
Die Entscheidung des Gerichts: Die Ordnungsverfügung sei rechtmäßig. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung komme es nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Maßgeblich für die Beurteilung sei der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Ermessen im Hinblick auf die erweiterte Gewerbeuntersagung ermessensfehlerfrei ausgeübt.
Weitere Nebenfolgen
Es existiert ein Vielzahl von weiteren möglichen Nebenfolgen, die bei Steuerhinterziehungssachverhalten eine Rolle spielen können. Einzelne Nebenfolgen können selbst im Falle einer wirksamen Selbstanzeige greifen. Die folgenden Beispiele sind nicht abschließend. Am Ende der Auflistung finden Sie ausgewählte Rechtsprechungs-(*) und Literaturnachweise zu einzelnen Punkten.
Beispiele
– Entzug des Jagdscheins
– Entzug der Waffenbesitzkarte
– Versagung der Restschuldbefreiung
– Abberufung von Bankvorständen / -geschäftsleitern
– Disziplinarrechtliche Folgen für Beamte* und Ruhestandsbeamte
– Berufsrechtliche Folgen für Steuerberater**, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Ärzte
– Arbeitsrechtliche Folgen für Angestellte des Öffentlichen Dienstes
– Arbeitsrechtliche Folgen für Arbeitnehmer***
– Passentzug
– Widerruf der Bewährung
Nachweise
BayVGH vom 24.9.2015 – 22 ZB 15.1722 (Widerruf Gaststättenerlaubnis): Link.
VG Gelsenkirchen vom 21.8.2015 – 7 K 3158/14 (Gewerbeuntersagung): Link.
Weitere Rechtsprechung
*VGH Baden-Württemberg vom 21.1.2011 – DL 13 S 2145/10 (keine Einstellung eines Disziplinarverfahrens trotz Selbstanzeige eines Finanzbeamten): Link.
*BFH vom 15.1.2008 – VII B 149/07 (Information des Dienstvorgesetzten über Steuerhinterziehung eines Beamten): Link.
**OLG Düsseldorf vom 13.1.2015 – VIII-1 StO 1/14 (berufsrechtliche Ahndung eines Steuerberaters wegen Steuerstraftat): Link.
***Arbeitsgericht Kiel vom 7.1.2014 – 2 Ca 1793 a/13 (Steuerhinterziehung kann ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen): Link.
Literatur
Berisha, Die Selbstanzeige eines Beamten – Konsequenzen auf das Beamtenverhältnis, NWB-EV 8/2014, 267: Link.
Dönmez, Aufklärungspflichten des Steuerberaters im Rahmen der Selbstanzeige – Rechtssichere Beratung erfordert auch den Blick auf disziplinar- und berufsrechtliche Konsequenzen, NWB 9/2014, 629: Link.
Kamps/Talaska, Selbstanzeige eines Jägers und Waffenträgers, AO-StB 2013, 61
Wegner, Berufsrechtliche Risiken nach Strafurteil, PStR 2015, 214
Wessing, Nebenfolgen der Selbstanzeige, SAM 2010, 99 (PDF): Link.