Mit zwei neuen Urteilen hat das OLG Frankfurt (17.9.2021 – 2 U 147/20 und 18/21) entschieden, dass in Hessen coronabedingte Schließungsanordnungen für Einzelhandel und Gastronomie weder zur Mietminderung wegen Mangels noch zur Unmöglichkeit der Vermieterleistung führen, sondern allenfalls im Einzelfall zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage.
Dieser Beitrag soll aufzeigen, warum eine Entscheidung des BGH erforderlich ist und die länderübergreifende Relevanz verdeutlichen.
Was sollte in der Praxis beachtet werden?
Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten) – das gilt vor allem im gewerblichen Miet- und Pachtrecht. Was aber geschieht, wenn der Staat in Zeiten der Corona-Pandemie eingreift und behördliche Schließungsanordnungen von Geschäftslokalen verfügt, wer trägt dann das wirtschaftliche Ausfallrisiko? Kann die Miete gekürzt oder der Vertrag gar gekündigt werden?
Mietminderung, außerordentliche Kündigung oder Vertragsanpassung?
Die Rechtslage ist bei behördlichen Eingriffen in private Verträge komplex: Behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können bei Gewerberäumen die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben, dass sie einen Mangel begründen (BGH, 02.11.2016 – XII ZR 153/15). Ein Mangel liegt dabei nur dann vor, wenn der Mieter durch die öffentlich-rechtliche Beschränkung in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt wird (. Diese Voraussetzung ist aber regelmäßig erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat (
Ein Mieter/Pächter von Gewerberäumen, der durch eine zwangsweise Schließung seines Betriebs durch Pandemiebekämpfungsmaßnahmen betroffen ist, kann deshalb außerordentlich kündigen, hat das LG Kaiserslautern unlängst entschieden (LG Kaiserlautern v. 3.4.2021 – 4 O 284/20). Das außerordentliche Kündigungsrecht wird auch nicht durch Art. 240 § 7 EGBGB ausgeschlossen, der rückwirkend für alle Miet-/Pachtverhältnisse gilt, die seit Frühjahr 2020 von Corona-Schließungsanordnungen betroffen sind.
Die Gerichte haben zwar unisono bislang bei behördlichen, coronabedingten Schließungen einen Mietmangel (§ 536 BGB) und damit auch einen Mietminderungsanspruch verneint, jedoch unterschiedlich geurteilt, ob nach wegen einer schwerwiegenden Vertragsstörung eine Vertragsanpassung mit Reduzierung des Mietzinses zu erfolgen hat. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist leider uneinheitlich (s.u.*).
BGH muss jetzt endlich entscheiden!
Was folgt hieraus für die weitere Praxis? Die Rechtsfrage und die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Folgen sind beileibe keine „belanglose Eintagsfliege“, weil doch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie so gut wie überwunden scheinen. Erstens ist nicht absehbar, wie lange sich die Folgen bei wieder verschärftem Infektionsgeschehen und möglicherweise weiteren staatlichen Restriktionen noch fortsetzen und zweitens ist die Corona-Pandemie ein bislang so nicht gekanntes Phänomen, bei dem die Beurteilung der rechtlichen Folgen in gewerblichen Miet-/Pachtverhältnissen so etwas wie ein Lackmustest für vergleichbare künftige Ereignisse mit ähnlichen Folgen sein kann.
Daher ist wichtig, dass jetzt der BGH über die angesprochenen Fragen entscheidet und ein Machtwort spricht, wo`s lang geht. Beim BGH sind derzeit mehrere Verfahren anhängig (IV ZR 105/21und IV ZR 172/21, deren Verhandlung leider noch nicht terminiert ist.
Eine Entscheidung des BGH hätte bundesweite Signalwirkung, die auch künftigen Entscheidungen der unteren Streitinstanzen beeinflusst. In strittigen Vergleichsfällen sollten sich Betroffene deshalb auf diese anhängigen Verfahren aber berufen und in gerichtlichen Verfahren die Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit beantragen.
Weitere Informationen:
*(KG Berlin v. 1.4.2021 – 8 U 1099/20; OLG Dresden 24.2.2021 – 5 U 1782/20; OLG Karlsruhe v 24.2.2021 – 7 U 109/20: OLG Frankfurt/M. v. 19.3.2021 – 2 U 143/20; OLG Köln 31.5.2021 – I – 22 U 205/20).
Sehr geehter Herr Prof. Jahn,
dem Hörensage nach soll der BGH evtl. schon im Dezember entscheiden.
Für mich stellt sich nicht die Frage, ob § 313 eingreift, sondern nur ab wann. Nachdem die LG ja mehrheitlich gegen die MIeter entschieden haben, finde ich die Anwendung des § 313 für den ersten Lockdown (den ich in in der OLG-Rechtsprechung zu erkennen glaube) zu früh.
https://www.breiholdt-legal.de/corona-und-geschaeftsraummiete-wie-urteilen-die-gerichte/
mfg Hofele