Corona-Lockdown, Ladenschließung, kein Umsatz, aber fortlaufende Mietkosten: Kann der Gewerbemieter bei einer coronabedingten Schließungsanordnung wegen Mietmangels die Miete mindern? Wie die Gerichte hierzu urteilen.
Hintergrund
Die wirtschaftlichen Folgen der seit März 2020 in Deutschland um sich greifenden Corona-Pandemie betreffen nicht nur das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaftsbürger, sondern zunehmend auch private Rechtsverhältnisse. Wenn aufgrund einer staatlichen Schließungsanordnung ein Gewerbetreibender sein Ladengeschäft nicht mehr öffnen darf und deshalb keinen Umsatz erzielt, ist „automatisch“ auch das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter betroffen. Zahlt der gewerbliche Mieter eine rein umsatzbezogene Miete, ist er „fein raus“, wenn er während eines Lockdowns keinen Umsatz erwirtschaftet. Folge kann dann sein, dass der Vermieter das wirtschaftliche Risiko des Corona-Lockdowns alleine trägt.
Was aber passiert, wenn keine Umsatzmiete vereinbart ist, wer trägt dann das Risiko? Führt die coronabedingte Schließung zu einem Mietmangel, der zu Minderung berechtigt? Die Gerichte urteilen bislang unterschiedlich.
Worum geht es?
Beispiel: Ein Einzelhandelsgeschäft musste schließen und war nach Wiederöffnung mit Auflagen belastet. Grundlage dieser Zwangsmaßnahme war eine behördliche Anordnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der Geschäftsinhaber hatte einen Umsatzrückgang von bis zu 54% zu verkraften. Da die Miete für das Geschäft zunächst nicht beglichen werden konnte, verklagte der Vermieter den Mieter auf Zahlung von 20.000 € rückständiger Gewerbemiete.
Wie urteilen die Gerichte?
Das LG München (v. 22.9.2020, Az. 3 O 4495/20) hat entschieden, dass ein Mietmangel als „Unbrauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch“ auch auf behördlichen Verfügungen beruhen kann (§ 536 BGB). Es hat deshalb die Mietminderung des Gewerbemieters im Streitfall für gerechtfertigt gehalten:
Für April 2020 (Geschäft für den Publikumsverkehr komplett geschlossen) 80%, für Mai (Laden wieder geöffnet, dies mit Auflagen zu Größe der Verkaufsfläche und Kundenzahl), 50% – und für Juni (keine offiziellen Vorgaben zu den Einschränkungen mehr, aber erhebliche Beschränkungen wegen Hygienekonzept und Kundenzahl) 15% Mietminderung.
Anders hat das LG Frankfurt/M. (v. 02.11.20, Az. 2-15 O 23/20) entschieden: Eine behördlich angeordnete Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellt keinen Mangel der Mieträume dar und berechtigt den Mieter nicht zur Minderung der Miete. Auch eine Anpassung des Mietvertrages verbunden mit einer Reduzierung der Miete wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa dann, wenn ein Mieter existenziell bedroht ist.
Auch das LG Heidelberg (v. 30.7.2020, 5 O 66/20) und das LG Zweibrücken v. 11.9.2020, HK O 17/20) haben in gleicher Weise entschieden: Öffentlich-rechtliche Beschränkungen oder Verbote können zwar hinsichtlich der Vermietung von Gewerberäumen einen Mietmangel darstellen. Dafür muss die Ursache für die staatliche Zwangsmaßnahme in den Mieträumen selbst oder ihrer Beziehung zur Umwelt liegen. Geschäftsschließungen wegen der Corona-Pandemie sind jedoch nicht durch den Zustand der Mieträume bedingt, sondern dienen dem Schutz der Bevölkerung. Solange die gemietete oder gepachtete Fläche grundsätzlich weiter uneingeschränkt genutzt werden kann, liegt kein Mietmangel (§ 536 BGB) vor, auch nicht bei staatlichen Schließungsmaßnahmen während Corona.
Wie geht es nun weiter?
Gegen das Urteil des LG München wurde Berufung eingelegt. Die nächste Instanz wird zu entscheiden haben, ob das Problem letztlich vor dem BGH landet. Eine sichere Aussage, ob nun die Miete Jahres bei Lockdown-bedingtem Umsatzausfall auf Mieterverlangen teilweise zurückerstattet werden muss, lässt sich derzeit nicht sicher beurteilen, bis ein höchstrichterliches Urteil vorliegt. Ratsam ist deshalb für Vermieter, sich vorsorglich auf etwaige Mietrückerstattungen einzustellen und etwaige Investitionen vor diesem Hintergrund zurückzustellen.
Dem Vernehmen nach plant das BMJ eine entsprechende Änderung im Mietrecht: Wegen Corona angeordnete staatliche Beschränkungen von Gewerbebetrieben sollen regelmäßig als „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) gelten. Für Vermieter würde das etwa bedeuten, Miete mindern zu müssen. Ob sich dies parlamentarisch durchsetzen lässt, bleibt fraglich, denn ein solches Gesetz wäre ein weitreichender Eingriff in die Vertragsfreiheit bei Gewerbemietverhältnissen.
Aber: Eine Corona- Sonderregelung im Mietrecht gab es schon einmal: Nachdem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (v. 27.3.2020, BGBl 2020 I S. 569) konnten Mietrückstände aus dem Zeitraum Anfang April bis Ende Juni 2020 – soweit sie auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhten – nicht zur Begründung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung herangezogen werden. Diese Regel galt für Wohn- und Gewerbemietverhältnisse ebenso wie für Pacht einschließlich Grundstückspacht.
Weitere Informationen:
LG Frankfurt/M Urteil v. 5.10.2020 Az. 2-15 O 23/20 https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200001624
LG München I, Urteil v. 22.9.2020, Az. 3 O 4495/20
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE200001624
Vielen Dank für den informativen Beitrag zu Mietminderung bei Gewerbeimmobilien. Interessant, dass das LG München für die Mietminderung entschieden und daher Berufung gegen das Urteil eingelegt wurde. Ich denke, viele, die interessiert an die Vermietung von Gewerbeimmobilien sind, werden das Urteil der Berufung abwarten.