Geschäftsveräußerung ohne Ausgangsumsätze – ja, aber!

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist bekanntermaßen nicht umsatzsteuerbar. Was aber als Geschäftsveräußerung im Ganzen gilt, kann umstritten sein. Das FG Berlin-Brandenburg hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auch dann vorliegen kann, wenn ein Unternehmen noch keine Ausgangsumsätze erzielt und während der Aufbauphase verkauft wird.

Die Antwort lautet: Im Prinzip ja, aber es muss anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass der Erwerber den geplanten Unternehmenszweck tatsächlich fortführt. Und das kann enorm schwierig sein (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.03.2024, 7 K 7083/23).

Der Sachverhalt (stark verkürzt):

Der Kläger war Eigentümer von mehreren Grundstücken. Er plante, hierauf einen Ferienpark zu errichten, der unter anderem Ferienappartements, Bewirtungsmöglichkeiten sowie Sport- und Tourismusangebote umfasste. Im Mai 2013 hatte er mit dem Umbau eines ehemaligen Speichers in eine Pension mit zwölf Zimmern begonnen. Die finanzierende Bank versagte dem Kläger jedoch Ende 2015 die Fortführung der Finanzierung, so dass der Bau seit diesem Zeitpunkt ruhte. In 2019 veräußerte er ein Grundstück. Satzungsmäßiger Gegenstand der Erwerberin war und ist der Erwerb und die Vermittlung von Immobilien.

Der Kläger betrachtete die Übertragung des in 2019 verkauften Grundstücks als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass der Kläger mit der Grundstücksveräußerung in 2019 einen steuerfreien Umsatz erzielt habe. Es handele sich nicht um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen. Nach den Erkenntnissen des Finanzamts habe die Erwerberin nicht das Unternehmen des Klägers fortgeführt, sondern eigene Pläne für das erworbene Grundstück entwickelt, und zwar die „Planung eines Wohnparks mit leisem Gewerbe“. Daher sei kein Fortführungszusammenhang erkennbar. Die hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen.

Die Begründung in aller Kürze:

Die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils voraus. Es ist erforderlich, dass der Erwerber das übertragene Unternehmen fortführt, wobei es sich um eine innere Tatsache handelt, für die der Veräußerer die Feststellungslast trägt und für die objektive Anhaltspunkte bestehen müssen. Nachweismöglichkeiten sind z.B. entsprechende Zusicherungen oder die Übernahme von Verträgen durch den Erwerber. Ferner muss nach einer Gesamtwürdigung eine ausreichende Ähnlichkeit zwischen dem Unternehmen des Veräußerers und dem des Erwerbers bestehen. Der ursprüngliche Kern oder der Geschäftszweck der Unternehmung muss bestehen bleiben, so dass der Erwerber das Unternehmen nicht so verändern darf, dass ein Unternehmen völlig anderer Art vorliegt. Anpassungen, z.B. an die Marktlage, den technischen Fortschritt oder die Fähigkeiten des Erwerbers sind unschädlich.

Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht ersichtlich, dass der Erwerber beabsichtigt, das Unternehmenskonzept des Veräußerers fortzuführen, liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor.

Im Urteilsfall habe das Finanzamt zurecht die Übertragung des streitbefangenen Grundstücks als einen steuerbaren, jedoch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Umsatz und nicht als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG angesehen. Weder dem Kaufvertrag noch anderen Beweismitteln habe sich entnehmen lassen, dass der Erwerber den – geplanten – Unternehmenszweck der Veräußerers fortführen wollte.

Denkanstoß:

Das Besprechungsurteil reiht sich ein in die Serie „In der Praxis kaum lösbar.“ Ich möchte insoweit auf meinen Blog-Beitrag „Geschäftsveräußerung im Ganzen – willkommen beim Roulette“ aufmerksam machen.

Naturgemäß endet man entsprechende Beiträge daraufhin mit dem Hinweis, für den Mandanten sollte die Einholung einer verbindlichen Auskunft beantragt werden. Doch das ist teuer und kostet Zeit. Als zweiter Hinweis kommt dann die Empfehlung, man möge im Kaufvertrag vorsorglich die (unbedingte) Option erklären (vgl. BMF-Schreiben vom 23.10.2013, BStBl 2013 I S. 1304).

Aber ob der Erwerber im aktuellen Fall eine solche Klausel akzeptiert hätte? Ich möchte es bezweifeln.

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