Geplantes Bundestariftreuegesetz: Optimierung oder Hemmnis bei der öffentlichen Auftragsvergabe

Die Minderheitsregierung hat den Gesetzentwurf für ein Tariftreuegesetz ins parlamentarische Verfahren eingebracht, das im Fall der Umsetzung erhebliche Bedeutung für die öffentliche Auftragsvergabe haben könnte. Was ist davon zu halten?

Hintergrund

Jedes Jahr vergibt die öffentliche Hand Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages an private Unternehmen. Auf Bundesebene ist für das Vergaberecht in Deutschland das BMWK federführend zuständig, auf Länderebene erfolgt die Auftragsvergabe nach den Maßgaben der Länder. In Umsetzung des Koalitionsvertrags und der Wachstumsinitiative hat die Bundesregierung eine umfassende Reform des nationalen Vergaberechts vorgelegt, die ein Vergabetransformationspaket und einen Gesetzentwurf für ein Tariftreuegesetz beinhaltet. Die amtierende Minderheitsregierung hat den Gesetzesentwurf für das Vergaberechtstransformationsgesetz im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte am 27.11.2024 auf den Weg gebracht, am 15.1.2025 hat das Bundeskabinett eine Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzenentwurf (BR-Drs.591/24 (B)) beschlossen – ich habe dazu im Blog bereits informiert.

Bundesregierung bringt Tariftreuegesetz auf den Weg

Im Dezember 2024 hat die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf für ein Tariftreuegesetz zugeleitet (BT-Drs. 20/14345 v.20.12.2024). Im Kern geht es darum, Aufträge des Bundes nur noch an solche Firmen zu vergeben, die tarifgebunden sind. Diese Reglementierung wäre ein erheblicher Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit.

Im Gesetzesentwurfspaket ist auch die Stellungnahme des Normenkontrollrates (NKR) zu den Regierungsplänen enthalten. Der NKR kritisiert, dass der Entwurf „überflüssige Bürokratie verursacht“, da auch tarifgebundene Unternehmen erfasst werden. Diese sollten aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden. Er hält den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft für unvollständig und nicht in jeder Hinsicht methodengerecht kalkuliert – hier werden auch Punkte aufgegriffen, die die DIHK in ihrer Stellungnahme genannt hatte. Außerdem kritisiert der NKR, dass eine neue Behörde geschaffen wird – die Kontrollfunktion sieht er eher bei der Zollverwaltung, die bei der Kontrolle der Einhaltung von Tarifverträgen schon Erfahrungen und Kompetenzen habe. Insgesamt schlägt er vor, dass das Tariftreuegesetz erst ab deutlich höheren Auftragswerten angewandt werden sollte.

In der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Anmerkungen des NKR wird die Herausnahme tarifgebundener Unternehmen abgelehnt und auf das Präqualifizierungsverfahren verwiesen. Die Bundesregierung hält an der Prüfstelle Bundestariftreue bei der Deutschen Rentenversicherung fest. Hinsichtlich der Höhe des Erfüllungsaufwands weist sie lapidar darauf hin, dass man den Aufwand für die Kalkulation des Angebots und die gesonderte Berechnung des Lohns für den Zeitraum der Auftragsausführung nicht pauschal beziffern könne und dass das deshalb nicht in die Gesetzesfolgenabschätzung einfließen konnte.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20.12.2024 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Tariftreuegesetz keine Stellungnahme beschlossen. Das geht aus einer entsprechenden Unterrichtung durch die Bundesregierung (siehe BT-Drs. 20/14433 vom 8.1.2025) hervor.

Auch aktuell stößt der Plan für ein Tariftreuegesetz bei der Auftragsvergabe des Bundes nicht überall auf Gegenliebe. Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag „Öffentliche Vergabe entfesseln – Ein effizientes Vergaberecht für eine starke Wirtschaft“ (BT-Drs.20/14723) eine Vereinfachung und Entbürokratisierung des Vergaberechts.  Von neuen bürokratischen und finanziellen Belastungen für die Wirtschaft im Zusammenhang mit öffentlicher Auftragsvergabe, wie einem Tariftreuegesetz, solle „Abstand genommen“ werden.

Die Bundesregierung fürchtet demgegenüber durch ihren Gesetzentwurf zum Bundestariftreuegesetz (BT-Drs. 20/14345) keine neuen bürokratischen Belastungen für Unternehmen. Der Entwurf, der auf die Sicherung der Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes abzielt, sehe vor, dass das Tariftreueversprechen als einfache, unbürokratische Erklärung im Vergabeverfahren abgegeben werde, betont sie in einer Antwort (BT-Drs. 20/14596) auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 20/14370) der FDP-Fraktion. Darüber hinaus beschränkten sich Nachweispflichten auf das für den Nachweis der Einhaltung des Tariftreueversprechens notwendige Maß. Der Entwurf sehe darüber hinaus weitere Erleichterungen von den bestehenden Nachweispflichten für Auftragnehmer und deren Nachunternehmer vor. Dafür müssten sie sich vorab zertifizieren lassen, dass sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Arbeitsbedingungen auf Tarifniveau gewährleisten.

Angesichts dieser aktuellen „Gemengelage“ ist die Zukunft des Tariftreuegesetzes ungewiss. Ob die Pläne tatsächlich weiterverfolgt werden, wird maßgeblich vom Ausgang der Bundestagswahlen abhängen, also davon, ob die bisherige Regierung im Amt bestätigt wird oder es aber zu einem Regierungswechsel mit anderer Schwerpunktsetzung im Vergaberechts kommt.

Wir bleiben dran…!

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