Genussrechte – Immer Fremdkapital oder kommt es darauf an?

Ein steter Quell der Diskussion ist die Bilanzierung hybrider Finanzinstrumente oder Mezzanine. Dabei handelt es sich um Instrumente, die zivilrechtlich regelmäßig als Schuldinstrument ausgestaltet sind, aber aus wirtschaftlicher Sicht zumindest teilweise auch Eigenschaften von Eigenkapital aufweisen. Den Genussrechtsgläubigern werden dabei Vermögensrechte gewährt, die ansonsten typischerweise im Verhältnis zu Gesellschaftern vorliegen. Verwaltungsrechte, insbesondere Stimmrechte, bleiben ihnen verwehrt. Gerade Genussrechte finden seit Jahrzehnten in der Praxis Einsatz.

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat bereits im Jahr 1994 mit einer Stellungnahme zur handelsrechtlichen Bilanzierung von Genussrechten bei Kapitalgesellschaften eine zur handelsbilanziellen Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital allgemein akzeptierte Regelung verlautbart. Jüngst hat sich nun das Finanzministerium NRW vor dem Hintergrund der steuerlichen Bilanzierung und unter Rückgriff auf das Maßgeblichkeitsprinzip zur handelsrechtlichen Bilanzierung geäußert. Was bedeutet das jetzt für die Praxis?

Nach Auffassung des IDW ist die Entscheidung, ob Genussrechte beim Emittenten als Eigen- oder Fremdkapital abzubilden sind, danach zu entscheiden, inwieweit aus wirtschaftlicher Sicht die typische Haftungsqualität von Eigenkapital vorliegt. Dazu müssen folgende Kriterien kumulativ erfüllt sein:

  • Nachrangigkeit gegenüber Fremdkapitalinstrumenten, d.h. bei Insolvenz oder Liquidation besteht ein Rückzahlungsanspruch der Genussrechtsinhaber erst nach Befriedigung der Fremdkapitalgeber,
  • Erfolgsabhängigkeit der Vergütung und Teilnahme am Verlust der Gesellschaft bis zur vollen Höhe,
  • Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung.

Gerade um die beiden letztgenannten Kriterien gibt es eine umfangreiche Diskussion. Inwieweit ist eine fixe Grundvergütung schädlich oder anders ausgedrückt, wie hoch muss der erfolgsabhängige Teil der Vergütung sein? Eine erfolgsunabhängige Vergütung ist nach der IDW-Verlautbarung nur unschädlich, wenn sie nur aus Eigenkapitalbestandteilen geleistet werden darf, die nicht besonders gegen Ausschüttungen geschützt sind. Die Vereinbarung einer Nachholung der Vergütung in späteren Perioden unter Beachtung der Bedingung ist dabei unschädlich.

Die Verlustteilnahme ist nach Auffassung des IDW dann erfüllt, wenn:

  • das Genussrechtskapital spätestens im Zeitpunkt der Rückzahlung in dem Umfang an den aufgelaufenen Verlusten teilnimmt, in dem diese Verluste nicht von Eigenkapitalbestandteilen getragen werden können, die gegen Ausschüttungen nicht besonders geschützt sind und
  • eine Verrechnung eingetretener Verluste mit Bestandteilen des bilanziellen Eigenkapitals, das gegen Ausschüttungen besonders geschützt ist, darf erst erfolgen, wenn das Genussrechtskapital durch Verlustverrechnung vollständig aufgezehrt ist.

Eine andere Frage ist, was Längerfristigkeit bedeutet? Hier finden sich Diskussionsvorschläge im Wesentlichen zwischen 2 und 5 oder 10 Jahren, während derer die Rückzahlung sowohl für den Genussrechtsemittenten als auch den Genussrechtsinhaber ausgeschlossen sein muss.

Die IFRS haben deutlich strengere Vorgaben für die Zuordnung von Finanzinstrumenten zum Eigenkapital. Insbesondere darf der Inhaber des Instruments keinen Rückzahlungsanspruch haben, weswegen Genussrechte häufig dem Fremdkapital zuzurechnen sind.

Nun kommt die Finanzverwaltung, vertreten durch das Finanzministerium NRW, mit einer recht undifferenzierten Auffassung daher:

„Die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben hinsichtlich der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital bei Genussrechten folgende Beschlüsse gefasst:

  1. Genussrechtskapital ist nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit anzusetzen.
  2. Vergütungen auf dieses Genussrechtskapital sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig. Sie mindern, vorbehaltlich § 8 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative KStG, grundsätzlich das Einkommen.“

Begründet wird diese Auffassung allein mit dem schuldrechtlichen Charakter von Genussrechten. Eine Auseinandersetzung mit der jahrzehntelangen handelsbilanziellen Diskussion wird nicht sichtbar.

Für Handelsbilanzierer stellt sich wegen der expliziten Bezugnahme auf die handelsrechtlichen GoB und auf das Maßgeblichkeitsprinzip die Frage, ob Genussrechte in der  Handelsbilanz aus Sicht der Finanzverwaltung jetzt nur noch als Fremdkapital abgebildet werden dürfen. Zumindest liest sich die apodiktische Aussage so.

Sicher ist die Begründung der Finanzverwaltung allein mit dem schuldrechtlichen Hintergrund oberflächlich und nicht tragend. Interessant ist dann die Folgefrage: Lässt sich dennoch handelsbilanziell Eigenkapital darstellen? Auch dann sieht das IDW eine aufwandswirksame Erfassung der Vergütung vor. In der Steuerbilanz wäre dann in eine Verbindlichkeit umzuqualifizieren und der zumindest steuerlich erwünschte Ausweis als Betriebsausgabe bleibt vorbehaltlich § 8 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative KStG erhalten. Man darf auf das angekündigte BMF-Schreiben gespannt sein. Vielleicht wird dann manches klarer.

Jedenfalls erscheint mir die verlautbarte Auffassung der Finanzverwaltung Anlass, die Diskussion um das Eigenkapital im handelsrechtlichen Jahresabschluss neu aufzunehmen. Die bisherige wirtschaftlich begründete Auffassung des IDW kann man durchaus diskutieren und über eine künftig strengere Auffassung zum Eigenkapital, etwa in Richtung der IFRS, kann man nachdenken. Aber auch nach IFRS ist in der Diskussion, ob die derzeit geltende Regelung der Weisheit letzter Schluss ist.

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