Mit dem Jahressteuergesetz (BGBl 2020 I S. 3096) wurde der aufzählende Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO um eine Vielzahl von Zwecken ergänzt bzw. erweitert (vgl. dazu Teil I v. 30.12.2020). Nicht aufgenommen wurden allerdings Aussagen dazu, inwiefern eine politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen zukünftig möglich ist.
Was bedeutet das für die Betätigung gemeinnütziger Organisationen – insbesondere vor dem Hintergrund des Attac-Urteils des BFH aus dem Jahre 2019?
Zweckerweiterungen waren notwendig!
Die gefundene Kompromisslösung, die den Zweckkatalog nunmehr aufwertet und ergänzt, war notwendig. Zum einen führt sie zu mehr Rechtssicherheit für die Anwender, zum anderen kann sie zu einem vermehrten Engagement der Zivilgesellschaft beitragen. Ersteres ist erforderlich, damit sich gemeinnützige Organisationen bei ihrer vielfältigen Arbeit rechtssicher auf Bestimmungen stützen können, die gesetzlich kodifiziert sind und nicht von einer Auslegung des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO seitens der Finanzbehörden abhängig sind. Von welcher Bedeutung zweiteres ist, dürften viele von uns in der fortwährenden Corona-Pandemie erfahren haben. Insbesondere in dieser Zeit hat sich bereits gezeigt, wie wichtig die Arbeit gemeinnütziger Organisationen für unsere Gesellschaft ist; haben doch gerade gemeinnützige Organisationen Betroffenen der Corona-Pandemie vielerorts schnell und v.a. unbürokratisch geholfen.
Bedauerlich ist, dass keine Regelung zu der – spätestens seit der Entscheidung des BFH zu Attac – vieldiskutierten politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen aufgenommen worden ist. Der BFH hatte in dieser Entscheidung konstatiert, dass eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig i.S. v. § 52 AO ist. Während das Hessische FG noch davon ausging, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche, versagte der BFH in seiner Entscheidung dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit wegen seiner politischer Kampagnen. Zahlreiche weitere Organisationen waren von dem Urteil unmittelbar und mittelbar betroffen.
Mit Blick auf das Urteil sahen die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates vom 28.09.2020 zum Jahressteuergesetz 2020 noch eine Bitte um Prüfung der Aufnahme einer Regelung in § 58 AO vor, wonach die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen werden sollte, dass „eine steuerbegünstigte Körperschaft bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre steuerbegünstigte Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist.“
Auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen plädierte in seiner Stellungnahme für eine „Klarstellung“ der geltenden Rechtslage, die einer Beschränkung – wie sie Attac erfuhr – in geeigneter Weise vorbeuge sowie für eine rechtssichere Abgrenzung zwischen politischer Betätigung einerseits und gemeinnütziger Zweckverwirklichung andererseits verhelfe. Eine solche sollte laut Stellungnahme des Bundesverbands v.a. nicht hinter den Status quo zurückfallen, „der die politische Tätigkeit zur Verwirklichung des eigenen gemeinnützigen Zweckes und die gelegentliche allgemeinpolitische Äußerung erlaubt.“
Umgesetzt wurden diese Forderungen allerdings in entsprechendem Gesetz nunmehr nicht. Hier bleibt es somit bei einer gewissen Rechtsunsicherheit, die v.a. dazu führen könnte, dass sich gemeinnützige Organisationen aus der Ungewissheit heraus selbst beschränken werden. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen stellte daher fest, dass „sich unsere lebendige Demokratie unnötig zahlreicher wichtiger Stimmen in der offenen Diskussion politischer Fragen“ berauben könnte.