Mit dem verabschiedeten Jahressteuergesetz 2020 (BGBl 2020 I, S. 3096) wurden u.a. bedeutsame Änderungen im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts vorgenommen. Insbesondere der Katalog nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AO wurde um neue Zwecke ergänzt.
Hintergrund
Spätestens seit dem Urteil des BFH zu Attac vom 10.01.2019 (V R 60/17) steht das Gemeinnützigkeitsrechts und dabei v.a. der enumerativ aufzählende, abschließende Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO in der Kritik. Bemängelt wird, dass vielfältige gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse nicht ausreichend abgebildet werden. Denn nicht explizit im Katalog aufgeführte Zwecke können nur dann als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie in Bezug auf ihre Merkmale, die ihre steuerliche Förderung rechtfertigen, mit einem Zweck des Katalogs identisch sind.
Zwar bietet § 52 Abs. 2 Satz 2 AO eine Öffnungsklausel, welche es den Finanzbehörden ermöglicht, auf sich ändernde gesellschaftliche Zwecke zu reagieren und damit die Gemeinnützigkeit weiterzuentwickeln. Der Anwendungsbereich ist allerdings recht eng. Bereits seit langem wird daher angemahnt, dass das Gemeinnützigkeitsrecht einer grundlegenden Überarbeitung bedarf.
Mit dem Jahressteuergesetz wurden nunmehr erste Schritte in diese Richtung getan und (u.a.) der Zweckkatalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO ausgeweitet. Aufgenommen wurden explizit folgende neuen/ergänzenden Zwecke:
- Die Förderung des Klimaschutzes (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8a AO)
- Die Förderung der Pflege Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9a AO)
- Die Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO)
- Die Förderung der Heimatpflege, der Heimatkunde und der Ortsverschönerung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 22 AO)
- Die Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Kommunikationsnetzwerken, die der Allgemeinheit ohne Gegenleistung offenstehen (Freifunk-Netze) (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 26 AO)
Umfassendere Erweiterungen zunächst gefordert
Mit einem Antrag vom 26.11.2020 forderte die Linkspartei allerdings eine deutlich umfangreichere Erweiterung der – zu diesem Zeitpunkt noch im Entwurf des Jahresssteuergesetzes 2020 – vorgesehenen Gemeinnützigkeitszwecke. Im Antrag wurde die Bundesregierung aufgefordert, den Katalog der steuerlich begünstigten Zwecke (§ 52 AO) um die
- „Förderung der Wahrnehmung und Verwirklichung von Grundrechten“,
- „Förderung des Friedens“,
- „Förderung der sozialen Gerechtigkeit“,
- „Förderung des Klimaschutzes“,
- „Förderung der informationellen Selbstbestimmung“,
- „Förderung der Menschenrechte“ und
- „Förderung der Gleichstellung der Geschlechter“
zu erweitern.
Ebenfalls sollte laut Antrag sicherstellt werden, „dass die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist“ und „die rechtsstaatlich höchst fragwürdige Praxis beendet [werde], dass ein Verein seine Verfassungstreue beweisen muss und dass die Erwähnung eines Vereins im Bericht einer Landesverfassungsschutzbehörde allein dazu ausreichen kann, um dem Verein die Gemeinnützigkeit zu entziehen“.
Erweiterungen forderte u.a. auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen. In seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2020 (im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 26.10.2020) wies er darauf hin, dass auch die Förderung des gemeinnützigen Journalismus oder der Menschenrechte förderungsfähig seien und den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. Zudem wies er auf die Notwendigkeit hin, die weltweite Demokratieförderung als weiteren Zweck aufzunehmen. Umgesetzt wurden diese Forderungen allerdings nicht.
Ausreichende Verbesserungen durch gefundene Kompromisslösung?
Die Erweiterung und Neukodifizierung von Tatbestandsmerkmalen im Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO führt zu dessen zeitgemäßen Weiterentwicklung. Fraglich ist allerdings, ob die gefundene Kompromisslösung weit genug geht und – v.a. unter Berücksichtigung des BFH-Urteils zu Attac – ausreichende Rechtssicherheit bietet.
Auf diese Fragen wird in im Teil II des Beitrags, der morgen erscheint, eingegangen.