Gaspreisbremse wird steuerpflichtig: Willkommen in Absurdistan

Bereits vor einigen Tagen habe ich in einem Blog-Beitrag darauf hingewiesen, dass die Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe) steuerpflichtig wird. Bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen durch die Gaspreisbremse.

Nunmehr hatte ich auch Gelegenheit, den Gesetzestext und die Gesetzesbegründung zu lesen. Willkommen in Absurdistan!

Die Systematik ist, wenn ich es richtig verstehe, die Folgende:

  • Die einmalige Entlastung wird regelmäßig den Einkünften aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 Satz 1 zugeordnet, obwohl der Steuerpflichtige selbst weder etwas geleistet noch unterlassen hat. Ein rein staatliche Zahlung wird also als Einkunftsquelle betrachtet. Nun ja.
  • Gehört eine Entlastung zu den Einkünften, ist sie nicht Gegenstand der Berechnung des Gesamtbetrags der Einkünfte, sondern wird dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Das verstehe, wer wolle.
  • Nur bei Steuerpflichtigen mit einer Pflicht zur Zahlung eines Solidaritätszuschlages erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen. Das ist aberwitzig.
  • Für den Zufluss nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Veranlagungszeitraum maßgebend, in dem die Endabrechnungen durch den Versorger, die Vermieter oder die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt wurden. Es gilt also eine Ausnahme vom Zuflussprinzip. Nun wird es vollkommen absurd.

Der Gesetzgeber schafft es, die seit etwa 100 Jahren bestehende Systematik des Einkommensteuergesetzes gleich viermal zu durchbrechen:

  • Einkünfte, wo keine sind.
  • Einkünfte erst dem zu versteuernden Einkommen und nicht bereits dem Gesamtbetrag der Einkünfte zuordnen.
  • Die Erzielung von Einkünften von der Zahlung eines Solidaritätszuschlages abhängig machen.
  • Das Zuflussprinzip gesetzlich außer Kraft setzen.

Unabhängig von der äußerst komplexen und verfassungsmäßig höchst fragwürdigen Regelung stellen sich mir Fragen über Fragen:

  • Was ist mit Personen, die hohes Vermögen und hohe, „nur“ der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitaleinkünfte haben? Wohl keine Versteuerung.
  • Was ist, wenn zwar die Abrechnung des Versorgers vorliegt, es aber in der Wohneigentumsgemeinschaft erhebliche Streitigkeiten untereinander oder mit dem Verwalter gibt? Kann ich die Steuererklärung 2023 erst abgeben, wenn der Streit beendet ist? Oder schaltet sich gar die Finanzverwaltung in den Streit ein?
  • Wenn die Versteuerung in 2023 erfolgt, kann ich dann die in 2022 erfolgte Zahlung der Gasrechnung zunächst als Werbungskosten absetzen? Schließlich muss ich ja erst etwas „aufwenden“, um Einkünfte „zu erzielen“. Oder anders: Ich erhalte etwas erstattet, was ich zunächst gezahlt habe.
  • Was ist in Fällen von nichtehelichen Partnerschaften, wenn der eine Mieter oder Eigentümer (und Vertragspartner des Wärmelieferanten) ist, (nur) der andere aber der Gutverdienende ist? Wohl Glück gehabt – keine Versteuerung.
  • Was ist, wenn die Dezemberhilfe anteilig auf das Arbeitszimmer entfällt? Liegen dann Einkünfte nach § 19 EStG vor? Ist es gar Arbeitslohn von dritter Seite? Muss ich dann meinen Arbeitgeber benachrichtigen, damit dieser Lohnsteuer einbehält? Im Prinzip ja. Aber was geht meinen Arbeitgeber meine Gasrechnung an? Wie gedenkt der Gesetzgeber, dieses Dilemma zu beheben?

Wie heißt es so schön im Koalitionsvertrag: „Wir wollen das Steuersystem für Menschen und Unternehmen einfacher machen“.

Noch einmal: Ich kritisiere nicht, dass Besserverdienende von der Dezemberhilfe weniger haben sollen als Bürger mit einem geringen Einkommen. Doch es ist absurd, dafür die komplette Systematik des Einkommensteuerrechts auf den Kopf zu stellen.


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