Wir Steuerrechtler haben alle irgendwann einmal gelernt, dass es sieben Einkunftsarten gibt. Daher beginnt § 2 EStG auch mit den Worten „Der Einkommensteuer unterliegen …“
Nun lese ich aber gerade zum Ergebnis der Sitzung des Finanzausschusses des Bundetages vom 30.11.2022: „Steuerpflichtig werden soll auch die Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe). Vorgesehen ist hier ein sozialer Ausgleich, so dass sich nur bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen durch die Gaspreisbremse erhöhen soll.“
Ich kenne zwar noch nicht den dazu ergehenden Gesetzeswortlaut, aber letztlich wird die Empfehlung des Finanzausschusses bedeuten, dass wir in Zukunft de facto eine achte Einkunftsart erhalten werden. Wohlgemerkt verwendet der Finanzausschuss das Wort „Steuerpflichtig“, das heißt, er ordnet die Gas-/Wärmepreisbremse einer Einkunftsart zu und nicht der tariflichen Ermittlung der Einkommensteuer.
Ähnlich hat der Gesetzgeber bereits bei der Energiepreispauschale für Erwerbstätige agiert. Hier konnte man die Zuordnung zu einer der sieben bisherigen Einkunftsarten allerdings mit etwas Wohlwollen noch rechtfertigen – insbesondere aufgrund der zumeist erfolgten Auszahlung über die Arbeitgeber.
Ich weiß aber beim besten Willen nicht, wie man die Dezemberhilfe einer der sieben Einkunftsarten zuordnen möchte, ohne die Grundpfeiler des Einkommensteuergesetzes zu erschüttern. Daher wird es wohl demnächst die achte Einkunftsart „Staatliche Leistungen“ geben.
Nun gut, über § 22 Nr. 3 EStG lässt sich vielleicht Vieles regeln. Aber auch hier kommt es immer auf eine „Leistung“ an. Ist die Tatsache, dass man seine Wohnung heizt, eine Leistung im Sinne einer Einkunftsart? Und warum wird diese „Leistung“ dann nur von denjenigen erbracht, die einen Solidaritätszuschlag zahlen? Wie soll die Koppelung einer Einkunftsart an die Zahlung des Solidaritätszuschlages erfolgen?
Fazit: In den vergangen Monaten dachte ich immer, es könnte gesetzgeberisch nicht schlimmer kommen. Doch falsch gedacht. Schlimmer geht immer.
Übrigens, nur am Rande: Wenn ich richtig informiert bin, liegt beim Bundesverfassungsgericht immer noch die Klage führender FDP-Politiker gegen den Solidaritätszuschlag vor. Diese ist meines Wissens noch nicht zurückgenommen worden (siehe „Wie sich die Regierung in der Steuerpolitik wegduckt“ von Manfred Schäfers im Internetauftritt der FAZ). Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/solidaritaetszuschlag-regierung-taucht-beim-thema-rest-soli-ab-18212038.html
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich nutze diesen Blog niemals für Parteipolitik. Und ich kritisiere auch nicht, dass Besserverdienende von der Dezemberhilfe weniger haben sollen als Bürger mit einem geringen Einkommen. Doch ist es wirklich angebracht, für die Dezemberhilfe die komplette Systematik des Einkommensteuerrechts auf den Kopf zu stellen? Da wäre es doch einfacher, wenn man so ehrlich wäre und den Einkommensteuersatz erhöht.
Nunmehr ist auch der Gesetzestext bekannt (siehe Jahressteuergesetz 2022). Und es wird maximal kompliziert, insbesondere bei Mietern. Die brauchen eine entsprechende Abrechnung vom Vermieter. Es wird eigentlich immer schlimmer was sich der Gesetzgeber so ausdenkt.
Ganz ehrlich: Das sind doch einfach nur noch Müll-Gesetze. Wenn ich neuen §§ 123-126 E-EStG lese, dann ergeben sich innerhalb kurzer Zeit so viele Fragestellungen, weil mal wieder auf die Schnelle etwas beschlossen wurde, was überhaupt nicht durchdacht ist und auch kein einziger Sachverständiger in die Gesetzgebung einbezogen wurde.
Es ist einfach eine Unart, alles über das Steuerrecht regeln zu wollen. Den Steuerberatern wird wieder zugemutet, dass sie die Voraussetzungen prüfen und die Unterlagen anfordern, weil im § 126 E-EStG gleich mit dem Steuerstrafrecht gedroht wird.
https://dip.bundestag.de/vorgang/jahressteuergesetz-2022-jstg-2022/291394