Führt der Empfang zur Verabschiedung eines Vorstands zu Arbeitslohn?

Treten Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer in den Ruhestand, lässt es sich der Arbeitgeber üblicherweise nicht nehmen, ihnen zum Abschied ein schönes Fest zu bescheren. Die Frage ist dann, ob die Aufwendungen des Arbeitgebers zu Arbeitslohn führen. Würde die Frage bejaht, würde sich die Freude über das Fest erheblich verringern, auch wenn der Arbeitgeber die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG wählen sollte.

Aufatmen lässt aber ein aktuelles Urteil des Niedersächsischen FG: Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, kann entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro eine betriebliche Veranstaltung vorliegen, die nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.4.2024, 8 K 66/22).

Der Sachverhalt:

Der Vorstandsvorsitzende einer Bank trat in den Ruhestand. Aus diesem Grund veranstaltete der Arbeitgeber einen Empfang in seiner Unternehmenszentrale. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war eine Mitarbeiterin des eigenen Personalbereichs verantwortlich. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Bank, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden, Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des ausscheidenden Arbeitnehmers als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Bank auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Das Finanzamt meinte, dass es sich bei dem Empfang nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Bank eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR niedergelegten Verwaltungsauffassung dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Doch die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Die Begründung:

Der BFH habe für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele (BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99, BStBl 2003 II, 724).Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich.

Nach diesen Grundsätzen scheide auch im vorliegenden Verfahren die Annahme von Arbeitslohn aus. Allein die Bank ist als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten. Sie hat die Einladungskarten entworfen und auf der Grundlage eigener, unabhängig von dem konkreten Empfang zuvor festgelegter Einladungslisten bestimmt, welche Personen eingeladen werden sollten. Die Gästeliste war insgesamt nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten erstellt worden. Der Arbeitnehmer hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Hiervon hat er in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen des Geldinstituts statt und nicht im Haus des Arbeitnehmers oder in von ihm angemieteten Räumlichkeiten. Im Übrigen wurde neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden den geladenen Gästen zugleich der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt. Entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR kann auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro eine betriebliche Veranstaltung vorliegen. Lediglich der Kostenanteil, der auf die persönliche Gäste entfällt, ist zu versteuern. Dies kann – über den Arbeitgeber – nach § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 Prozent der aufgewendeten Kosten erfolgen.

Denkanstoß:

Das FG hat die Revision zugelassen. Diese wurde unter dem AZ. VI R 18/24 eingelegt. Jedenfalls ist das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen. Bis auf Weiteres sollten sich Betroffene aber auf das hier vorgestellte Urteil berufen und einer Lohnversteuerung bzw. einem Haftungsbescheid entgegenstellen.

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