Formycon unter Druck: Wie hohe Wertminderungen die Bilanz belasten

Das SDAX-Unternehmen Formycon entwickelt Biosimilars – günstigere Alternativen zu teuren Biotech-Medikamenten. Während eine positive Nachricht die Kosten senkt, sorgen hohe Wertberichtigungen bei zwei Projekten für Diskussionsstoff.  Was bedeutet das für die Finanzlage und welche Risiken könnten noch lauern? Werfen wir einen Blick auf die Zahlen und Hintergründe.

Wer bitte ist Formycon?

Sie haben noch nie etwas von Formycon gehört, obwohl das Unternehmen im SDAX gelistet ist? Mir ging es bis vor wenigen Tagen genauso. Deshalb zunächst eine kurze Vorstellung des Geschäftsmodells.

Formycon entwickelt sogenannte Biosimilars – das sind Nachahmerprodukte von teuren Biotech-Medikamenten, die auf den Markt kommen, sobald der Patentschutz des Originals abgelaufen ist. Damit bietet das Unternehmen kostengünstige Alternativen zu wichtigen Medikamenten, vor allem in Bereichen wie Augenheilkunde und Autoimmunerkrankungen. Statt die Medikamente selbst zu vermarkten, arbeitet Formycon häufig mit Partnern zusammen, die sich um die Zulassung und Vermarktung kümmern.

Worüber der Biotech-Konzern informiert hat

Formycon hat in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass die Phase-III-Studie für FYB206 nicht mehr notwendig ist – eine gute Nachricht, denn das spart dem Unternehmen eine Menge Geld. Gleichzeitig rechnet Formycon aber mit Abschreibungen auf zwei andere Biosimilar-Projekte.

Der Hauptgrund: In den USA sind die Preisnachlässe für Biosimilars höher als ursprünglich erwartet. Das betrifft vor allem FYB202, das Biosimilar zu Stelara®, wo eine Wertminderung im hohen zweistelligen bis knapp dreistelligen Millionenbereich erwartet wird. Auch FYB201/CIMERLI®, das Biosimilar zu Lucentis®, könnte betroffen sein, da der Preisdruck so stark ist, dass die Vermarktung in den USA vorübergehend gestoppt werden könnte. Falls das passiert, wären weitere Abschreibungen wahrscheinlich. Diese Entwicklungen könnten das Finanzergebnis 2024 erheblich beeinflussen.

Ein Blick in die letzten Finanzberichte

Im Halbjahresfinanzbericht des ersten Halbjahres 2024 äußerte sich der Vorstand zu den beiden betroffenen Produkten wie folgt:

„Für FYB202 rechnen wir mit der EU-Zulassung bereits Anfang des vierten Quartals 2024, also einige Wochen früher als ursprünglich geplant. Dies liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Arbeit und den kurzen Reaktionszeiten unserer Entwicklungsteams. Die FDA-Zulassung für FYB202 wird ebenfalls für Ende September erwartet. Darüber hinaus wollen wir noch in der zweiten Jahreshälfte das neue Projekt FYB210 starten. Mit anderen Worten: wir erwarten in den nächsten Wochen und Monaten viele weitere positive Formycon-Nachrichten.“

Zur Einordnung der genannten Größenordnung für die voraussichtlichen Wertminderungen noch ein paar Kennzahlen: Die Zahlen zeigen einen deutlichen Rückgang der Umsatzerlöse im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Während der Konzern im ersten Halbjahr 2023 noch 44 Mio. € umsetzte, waren es im gleichen Zeitraum 2024 nur noch 27 Mio. € – ein Rückgang von rund 39 %. Die Zahlen für das gesamte Geschäftsjahr 2024 stehen noch aus.

Der deutliche Umsatzrückgang im ersten Halbjahr 2024 hat sich spürbar auf das Ergebnis ausgewirkt – doch nicht nur das: Hohe Forschungs- und Entwicklungskosten sowie steigende Verwaltungsaufwendungen haben die Liquidität belastet. Im Gegensatz zu Abschreibungen, die zwar das Ergebnis schmälern, aber keine direkten Liquiditätsabflüsse verursachen, führen diese Ausgaben zu einem realen Geldabfluss.

Und mein Senf dazu:

Spannend – schon wieder ein Unternehmen, das in seiner Pressemitteilung betont, dass Abschreibungen die Liquidität nicht belasten. Warum ich das kritisch sehe? Weil diese Aussage fast ausschließlich dann hervorgehoben wird, wenn es um negative Effekte geht. Steigert hingegen ein positiver Sondereffekt den Gewinn, ohne sich in der Liquidität widerzuspiegeln, bleibt es meist am Anleger hängen, dies selbst herauszufinden.

Nun zum konkreten Fall: Bei einer Bilanzsumme von 950 Mio. € sind die angekündigten Wertminderungen alles andere als geringfügig – sie dürften sogar die Umsatzerlöse übersteigen. Als Biotech-Laie stelle ich mir dabei vor allem eine Frage: Besteht bei anderen Produkten des Unternehmens ein ähnliches Risiko oder handelt es sich um einen Ausnahmefall? Ohne tiefere Branchenkenntnisse bleibt das schwer zu beurteilen.

Eines ist aber klar: Das Biotech-Unternehmen kommt auf meine Beobachtungsliste. Denn aus meiner Sicht gibt es in der Bilanz noch weitere spannende Aspekte zu entdecken. Und ganz unabhängig davon lässt mich das Thema Forschung und Entwicklung auch Jahre nach meiner Dissertation nicht los. Besonders forschungsintensive Unternehmen stehen oft vor dem Dilemma: Wie lassen sich Innovationen finanzieren, ohne die finanzielle Stabilität zu gefährden?

Ich bleibe dran.

Weitere Informationen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

53 − = 43