Die Frage der Haftung des Abschlussprüfers wurde im Blog schon verschiedentlich angesprochen. Bisher bestand für den Abschlussprüfer im Zusammenhang mit der Vornahme gesetzlicher Abschlussprüfungen eine Haftungsbegrenzung, soweit kein Vorsatz gegeben war. Aus Anlass des Falles „Wirecard“ wurde nun mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) eine gesetzliche Neuregelung geschaffen und die Haftung ausgeweitet.
Nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB a.F. war der Prüfer, der vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt und dadurch den Mandanten oder ein verbundenes Unternehmen schädigt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Lag nur Fahrlässigkeit des Prüfers bei der Durchführung vor, war die Ersatzpflicht auf eine Million Euro und bei Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, auf vier Millionen Euro beschränkt (§ 323 Abs. 2 HGB a.F.).
Mit dem FISG hat sich der Gesetzgeber nun eine differenzierte Regelung der Haftungsfrage ausgedacht.
Weiterhin greift für den Abschlussprüfer nach § 323 Abs. 1 Satz 2 HGB die Haftungspflicht bei Pflichtverletzungen: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Geändert haben sich aber jetzt die Haftungsgrenzen in Abhängigkeit von der Auftragsart und dem Verschuldensgrad bei Fahrlässigkeit. Nach § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB gewährt der Gesetzgeber bei Vorsatz ohnehin keine Haftungsbegrenzung und nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt bei einfacher Fahrlässigkeit
- bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften iSv. § 316a Satz 2 Nr. 1 HGB die Haftungsgrenze von 16 Mio. Euro,
- bei der Prüfung nicht kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, die CRR-Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen iSv. § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3 HGB sind, die Haftungsgrenze von 4 Mio. Euro,
- bei der Prüfung sonstiger prüfungspflichtiger Kapitalgesellschaften die Haftungsgrenze von 1,5 Mio. Euro.
Bei grober Fahrlässigkeit gilt nach § 323 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 HGB
- bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften iSv. § 316a Satz 2 Nr. 1 HGB eine unbeschränkte Haftung,
- bei der Prüfung nicht kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften, die CRR-Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen iSv. § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3 HGB sind, die Haftungsgrenze von 32 Mio. Euro,
- bei der Prüfung sonstiger prüfungspflichtiger Kapitalgesellschaften die Haftungsgrenze von 12 Mio. Euro.
Von den Neuregelungen sind auch Prüfungen betroffen, für die konkret zu Verantwortlichkeiten oder allgemein auf § 323 HGB verwiesen wird. Die WPK nennt hier beispielhaft
- Verschmelzungsprüfungen (§ 11 Abs. 2 UmwG),
- Unternehmensvertragsprüfungen (§ 293d Abs. 2 Satz 1 AktG),
- aktienrechtliche Sonderprüfungen (§ 258 Abs. 5 Satz 1 AktG),
- Prüfungen nach dem Publizitätsgesetz (§ 2 Abs. 3 Satz 4 PublG),
- Prüfungen nach dem EEG (§§ 64 Abs. 5 Satz 4, 75 Satz 4 EEG),
- Prüfungen und prüferische Durchsichten nach dem WpHG (§§ 32 Abs. 3 Satz 5, 115 Abs. 4 Satz 7 WpHG) und
- die externe Qualitätskontrolle (§ 57b Abs. 4 WPO).
Für letztere Prüfungen hat der Gesetzgeber in § 86 Abs. 1 EGHGB keine explizite Übergangsregelung erlassen wie für § 323 Abs. 2 HGB idF des FISG. Die WPK sieht hier eine planwidrige Gesetzeslücke und will diese im Wege der Analogie schließen.
Keine Änderung hat der Gesetzgeber an der jetzt in § 54a Abs. 4 WPO geregelten Mindestversicherungssumme in Höhe von 1 Mio. Euro für Wirtschaftsprüfer vorgenommen, die keine Abschlussprüfungen durchführen. Der Anspruch der Auftraggeber auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens kann nach § 54a Abs. 1 WPO beschränkt werden:
- durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall auf die Mindesthöhe der Deckungssumme in Höhe von 1 Mio. Euro oder
- durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf den Betrag von 4 Mio. Euro, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht.
Unbeschadet bleiben anderweitige Haftungsansprüche, bspw. im Rahmen deliktischer Haftung.
Grundsätzlich bin ich ein großer Freund des Gleichlaufs von Entscheidungsgewalt und Haftungspflicht. Auf diese Art und Weise wird dem Entscheider signalisiert, dass er für seine Entscheidungen geradestehen muss. Idealtypisch führt dies zu besseren Entscheidungen. Ob im Einzelfall pflichtwidriges Handeln so wirklich verhindert werden kann, ist dann eine andere Frage, die auch kriminologisch diskutabel erscheint. Man denke hier an die seit jeher geführte Diskussion um die Abschreckungswirkung von Strafen. Diese lässt sich wohl auch für Haftungsregelungen führen.
Zudem können unerwünschte Sekundärwirkungen zu beachten sein. Bspw. im Bereich der Geburtshilfe hat sich gezeigt, dass Haftungsregelungen zu einem unerwünschten Rückgang des Angebots führen können. Ähnliches hat wohl auch den Gesetzgeber bewogen, von ursprünglich angedachten noch weitergehenden Haftungsregelungen für Abschlussprüfer abzusehen.
Schließlich – und das ist ein scheinbar völlig aus dem Blick geratener Aspekt – muss auch die Haftung des Abschlussprüfers wegen Verweigerung eines uneingeschränkten Testats beachtet werden. Was kann einen Abschlussprüfer davon abhalten, eine Einschränkung oder Versagung des Testats vorzunehmen, obwohl dies mit einer gewissen Unsicherheit geboten erscheint? Einerseits wird die Verweigerung meist das Mandatsverhältnis belasten bis hin zum Mandatsverlust. Andererseits kann dem Prüfer auch eine Auseinandersetzung um Haftungsansprüche des Mandanten aus unberechtigter Verweigerung eines uneingeschränkten Testats drohen. Gerade der letzte Punkt bringt den Prüfer in eine Zwickmühle. Hier sollte der Gesetzgeber überdenken, ob eine weitergehende Haftungsbegrenzung geschaffen werden sollte, um das Drohpotenzial des Mandanten abzumildern.
Lesen Sie auch hier im Experten-Blog weitere Beiträge zur Haftung
- Müller, Wirecard – ein Buch mit sieben Siegeln oder Wirtschaftsprüfer- und Aufsichtshaftung?
- Mujkanovic, Vom Mandanten hinters Licht geführt – Haftet der Abschlussprüfer trotzdem?
- Mujkanovic, Abschlussprüfer und Financial Crime
Weitere Informationen:
WPK, Geltung der durch das FISG erhöhten Haftsummen für Prüfungen mit Verweis auf § 323 Abs. 2 HGB (auf wpk.de)