Finanzverwaltung verweigert zügige Korrektur der ESt-Bescheide

Bekanntlich hat der BFH die Berechnung der zumutbaren Belastung zugunsten der Steuerpflichtigen korrigiert (VI R 75/14; s.a. meinen Blog-Beitrag vom 16.05.2017 „Korrektur der zumutbaren Belastung durch den BFH – was nun?“). Es verwundert nicht, dass die Finanzverwaltung die notwendige Korrektur der ESt-Bescheide verzögert. Siehe zu den Berichtigungsmöglichkeiten aktuell Bergan in NWB 32/2017.

Der Aufsatz setzt sich mit den möglichen Korrekturansätzen für einen ESt-Bescheid auseinander. Insbesondere die Problematik des vorläufigen Steuerbescheides (§ 165 AO) wird erläutert. BMF und die einzelnen Länder sind sich über die rechtliche Wertung des Vorläufigkeitsvermerkes nicht einig. Die fiskalischen Hardliner verweigern eine Berichtigung des Steuerbescheides, weil diese behaupten, dass der Vorläufigkeitsvermerk die Korrektur der Berechnung der zumutbaren Belastung nicht enthalten würde und verweisen auf die (nicht einschlägige) Entscheidung des BFH vom 27.11.96 (X R 20/95).

Selbst Bergan als Lehrbeauftragter der Sächsischen Finanzverwaltung kann sich dieser fiskalischen Interessen wahrenden Auffassung nicht anfreunden. Text und Sinn des Vorläufigkeitsvermerkes sind darauf ausgerichtet, dass die zumutbare Belastung rechtlich zu klären ist. Das betrifft dann grundsätzlich sämtliche Auswirkungen auf diese Ermittlung. Nicht erwähnt und deshalb soll ergänzend auf den Beschluss des IX. Senats verwiesen werden (IX B 176/08). Die nachgelagerte Frage der richtigen Berechnung der zumutbaren Belastung wird durch den Vorläufigkeitsvermerk gedeckt.

Was im Fall eines Vorläufigkeitsvermerkes für den Fall der Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuwenden ist, ist auch hier zu beachten. Die umfassende Korrektur der nachgelagerten Folgefragen bei Ermittlung der Einkünfte und Verpachtung (hier Umwandlung Aufwand nach § 82b EStDV in anschaffungsnahe AK) ist für die Berechnung der zumutbaren Belastung schon eher ein typischer Schulbeispielsfall.

Weiter macht Bergan deutlich, dass die Korrektur der zumutbaren Belastung nur für Aufwendungen zu erfolgen hat, die der Vorläufigkeitsvermerk nennt. Dieser ist merkwürdigerweise auf Aufwendungen für Krankheit oder Pflege eingeengt. Wer also andere Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend macht (z.B. Beerdigungskosten) profitiert für diese Aufwendungen nicht von der neuen BFH Rechtsprechung.

An dieser Stelle zeigt sich, wie unseriös seitens des BMF die Vorläufigkeitsvermerke gehandhabt werden. Mit der fragwürdigen Einschränkung des Vorläufigkeitsvermerkes hätte man sich nicht zufrieden geben dürfen. Notwendig wäre der Einspruch gewesen, in dem auf die Fehlerhaftigkeit, Ungenauigkeit und die Zweideutigkeit des Vorläufigkeitsvermerkes hingewiesen wird.

Nur – der zu klagende Mandant wird den Berater fragen, wozu ist das nützlich? Der Steuerberater hätte seinen Mandanten auf die Frage nach dem Sinn auf später vertrösten müssen. Das „Später“ haben wir „Jetzt“. Das BMF will von einem bewusst falschen Vorläufigkeitsvermerk profitieren. Es verweigert die gebotene Rechtsgerechtigkeit, die es bereits von Verfassungswegen zu beachten hat!

Der einzelne Steuerberater ist mit diesem Kampf auf Steuergerechtigkeit überfordert. Zeitlich und betriebswirtschaftlich kann keinem Berater mit seinem Mandanten dieser Aufwand zugemutet werden, quasi rechtstheoretisch auf eine mögliche rechtlich eintretende Situation zu klagen. So werden wir alle zum Spielball der Verwaltung im steuerlichen Verfahrensrecht.

Die Steuerberaterkammern und die Interessenverbände müssen in diesen Fällen eingreifen. Hier hätte man massiv auf eine Korrektur des Vorläufigkeitsvermerkes drängen müssen. Wird seitens des BMF nicht korrigiert, so ist ein Musterprozess mit allen Konsequenzen zu führen. Das beinhaltet ebenfalls die finanzielle Unterstützung. Das ist insbesondere auch die Aufgabe der Steuerberaterkammern. Dafür zahlt das einzelne Zwangsmitglied seinen Beitrag. Der jahrelange „Kuschelkurs“ mit der Finanzverwaltung ist die falsche Politik, wenn die andere Seite die Belange des Steuerbürgers und seiner Berater nicht zur Kenntnis nimmt!!

Dieses Beispiel zeigt deutlich die Defizite der Wahrnehmung des Steuerrechts durch unseren offiziellen Organe auf! Musterprozesse müssen engagiert unterstützt werden. Das sind die Kammern dem Zwangsmitglied schuldig!!

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch:

Bergan, Stufenweise Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG – die verfahrensrechtlichen Konsequenzen aufgrund der neuen BFH-Rechtsprechung, NWB 32/2017 S. 2412 (NWB DokID: JAAAG-51655)

Meinen Beitrag: Korrektur der zumutbaren Belastung durch den BFH – was nun? (NWB Experten-Blog, 16.05.2017)

 

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