Film: „Wirecard: Der große Fake“ – Wir sind doch nicht bei Siemens

Eindrücke des ersten Films des großen Bilanzskandals

Der erste Film über die Geschichte von Wirecard. Kann er die Geschichte schon jetzt erzählen? Schließlich liegt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses noch nicht vor. Ich habe mir den Film direkt am 31. März angeschaut, dem Tag, an dem er verfügbar war. Hat es sich gelohnt? Dazu einige Einblicke.

Der nahende Untergang von Wirecard

 Um es vorwegzunehmen: Für mich persönlich war die zweite Hälfte der deutlich spannendere Teil. Das lag sicherlich auch daran, dass die Szenen die letzten Wochen und Stunden von Wirecard vor dem 18. Juni 2020 darstellten. Die Reise der Prüfer auf die Philippinnen, um mit dem Treuhänder zu sprechen. Filmisch war dies sehr gut in Szene gesetzt. Es wirkte sehr skurril. Die Gespräche wurden zwar nur anhand der Interviews von den Drehbuchautoren nachempfunden, doch auch ohne Ton wäre man an dieser Stelle verwundert gewesen. Wenn ich nicht wüsste, dass dieser Film auf Basis einer wahren Geschichte basiert, hätte ich spätestens an der Stelle gedacht: Da hat sich jemand aber etwas ausgedacht, was sehr unrealistisch ist.

Besonders schön wurden auch die Diskussionen in der Nacht vom 27. auf den 28. April dargestellt. Thema:  Soll der KPMG-Bericht veröffentlicht werden oder nicht? Wie wir mittlerweile wissen, hat Wirecard im Pressestatement den Eindruck erweckt, es wäre alles in Ordnung. Doch der KPMG-Bericht war mehr als nur eine Ohrfeige für einen DAX-Konzern. Vor der Causa Wirecard hätte man sich dies auch nicht vorstellen können. Oft hörte man „Das kann doch nicht sein, Wirecard ist doch im DAX. Wenn das alles stimmen würde, wären sie doch nicht in die erste Börsenliga aufgestiegen.“ Doch genau das ist passiert. Das Leben schreibt Geschichten, die sich en Drehbuchautor so kaum ausdenken könnte. Und wenn, dann würde es eindeutig in die Kategorie „Science-Fiction“ fallen.

Sehenswerte Inszenierungen

Der auf Wohnungssuche befindende James Fries, der in Windeseile zum Vorstand berufen wird. Nach kurzer Recherche ist klar: Auf den Philippinen liegen keine 2 Mrd. in Euro. An diesem Beispiel zeigt sich, dass das Verhältnis zur Realität wird den Drahtziehern immer wieder zum Verhängnis. So hatte die kubanische Bevölkerung des Lebensmittelkonzerns Parlamat vergessen, die Nachfrage nach Milch an die Bevölkerungsanzahl anzupassen. Bei einem Milchkonsum von mehr als einem Liter pro Person und Tag, müsste die Bevölkerung in Milch baden, um dies zu schaffen. Gerade in der Mangelwirtschaft von Kuba kaum vorstellbar. Was mich an dem Fall Wirecard an dieser Stelle am meisten erstaunt hat? Das so etwas heutzutage noch möglich ist. Denn schließlich kann man wie James Fries anhand von Plausibilitätschecks doch so manche Unregelmäßigkeiten aufdecken. Eine Google-Recherche gibt Auskunft über das Transaktionsvolumen der philippinischen Banken.

Die Wirecard-Kultur, die weniger auf Protokollierungen setzte. Wie jemand im Film sagte: „Wir sind doch nicht bei Siemens“. Offenbar war dies Usus bei Wirecard. Ich nehme an, dass dies auf Recherchen beruht. Wie das KPMG-Gutachten offenlegte, verzichtete der Vorstand auf Protokolle seiner Sitzungen. Wozu auch? Sie könnten wichtige Informationen enthalten.

Die Stimmen der Ex-Mitarbeiter

Was ich besonders eindrucksvoll fand? Einige ehemalige von Mitarbeiter und anonyme Sprecher kamen auch zu Wort. Denn der Film war eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm. Diese Mischung ist für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber sie hat ihren Reiz. Denn auch anonyme Sprecher kamen zu Wort. Das sorgt für Spannung – denn ich habe mich lange mit Wirecard beschäftigt.

Wirecard war ein Technologie-Konzern. Auf der einzigen Hauptversammlung als DAX-Mitglied wurde dies auch schön inszeniert. Die Abstimmung erfolgte auf Tablets, mit denen Mitarbeiter durch die Reihen gingen. In der Empfangshallte standen Bildschirme, die Informationen über Wirecard zeigten. Welche Informationen genau dort standen, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Hauptversammlung wird im Film nicht gezeigt, doch zeigt es die Parallelwelten des Konzerns: Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet im Film von der Übertragung von Excel-Tabellen und veralteten Datensätzen. Seine Aussagen passten nicht zu meinen Wahrnehmungen auf der Hauptversammlung. Doch Digitalisierung ist der Feind bei Bilanzmanipulationen, den sorgt sie doch für Transparenz.

Was hat gefehlt? Die politischen Kontakte und die Empfehlungen der Kanzlerin wurden nicht aufgenommen. Doch ist es auch schwierig, den Causa Wirecard in 90 Minuten zu packen. Daraus könnte man sicherlich eine ganze Serie produzieren. Diesbezüglich müssen wir noch etwas Geduld haben. Denn die Geschichte kommt erst dann zu einem Ende, wenn einige Urteile gefällt sind. Dies wird sicherlich noch lange dauern. Sehr lange. Die Causa Wirecard wird uns daher noch einige Zeit begleiten.

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