Der Streit über ordnungsgemäße Rechnungen bei der USt wird immer unübersichtlicher. Klärung für die Praxis ist nicht zu erwarten, weil die Juristen ein Tummelfeld komplizierter Gedanken aufbereiten. Die Entscheidung des V. Senates des BFH ist dafür ein beredtes Beispiel (V R 62/14). Dabei haben die Richter „alles richtig gemacht“. Nur wer ist schon in der Lage zwischen Festsetzungsverfahren und Billigkeitsverfahren zu unterscheiden!? Immerhin muss sich mit diesen Dingen auch der Praktiker, also der Unternehmer mit seinen Mitarbeitern beschäftigen.
Der Streit über die ordnungsgemäße Rechnung, die den Vorsteuerabzug sichern soll, wird zuerst immer im Verfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid geführt. Aber den gibt es ebenfalls nicht regelmäßig, denn die Abgabe der USt (Jahres)Erklärung gilt bereits als Steuerfestsetzung (§§ 168, 164 AO). Zumindest für den Laien führt diese Aussage zu einer gewissen Verwunderung.
Das steigert sich jetzt, denn in diesem Verfahren gegen die Steuerfestsetzung werden Entschuldigungsfaktoren nicht geltend gelassen, wenn eine Rechnung sich (nachträglich) als fehlerhaft erweist (V R 23/14). Ein gesondertes Verfahren muss geführt werden, nämlich der Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen. Entweder über § 163 AO doch den Vorsteuerabzug in der Steuerfestsetzung zu gewähren oder durch den Steuererlass (§ 227 AO). Der erste Antrag ist vorzuziehen. Beide Verfahren sollten parallel geführt werden. Wie im entschiedenen Fall kann das FA in seiner Entscheidung (Einspruchsentscheidung) diese Fälle zusammenführen, aber es wird offensichtlich „unübersichtlich“.
Wer die Entscheidung V R 62/14 liest, wird zuerst „Orientierungsschwierigkeiten“ haben. Ich gebe die TZ 17 bis 19 wörtlich wieder:
„17 II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FGO). Die Entscheidung des FG stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
18 1. Das FG hat die Voraussetzungen, unter denen im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) der Vorsteuerabzug gewährt werden kann, verkannt.
19 a) Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren zu gewähren ist, wenn die Steuerbehörden nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird, denn diese Voraussetzung betrifft nicht das Billigkeitsverfahren.“
Die etwas „nebulös“ formulierten Leitsätze sind lesenswert, da diese dem Berater „Anhaltspunkte“ liefern können, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist. Ich verstehe die Entscheidung mehr im Sinne der möglichen Ablehnung im Billigkeitsverfahren durch das FA, wenn diese „genügend Ermessensabwägungen“ nennen.
Das FA hat diesen Streit nur deswegen verloren, weil es bei der Fülle der „Argumente“ für die Ablehnung des Billigkeitsantrages keine abschließende Erwägung vorgenommen hat oder ob erst die Gesamtschau der Erwägungen für die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme entscheidend war. Das Gericht kann der Entscheidung des FA nicht vorgreifen, so dass die Einspruch- und Ermessensentscheidung aufgehoben werden mussten.
Für die Praxis ist somit ein präzises Auseinanderhalten beider Verfahren notwendig. Die Argumente unterscheiden sich. Je besser dies auseinander gehalten wird, ist ein Erfolg des Rechtsmittels (2 an der Zahl) eher möglich. Besonders ist im Billigkeitsverfahren darauf zu achten, dass das FA vollständig und folgerichtig die Erwägungen genannt hat. Hier wird der Begründungszwang oft sehr vernachlässigt (§ 121 AO). Eine Behauptung ist keine Begründung. Viele Entscheidungen der Finanzämter bleiben bei einer Behauptung stecken.
Weitere Infos:
In der aktuellen NWB kommentiert eine Beraterin ausführlichst (und trotzdem nur ausschnittsweise) die völlig unüberschaubaren Rechnungsanforderungen. Ich zähle:
4x offen bleibt,
4x fraglich,
1x zu hoffen bleibt
Wenn schon die Experten verzweifeln, läuft wohl einiges schief…