Fehlerbegriff in der Rechnungslegung – Rechtsprechung des OLG Frankfurt

Kann die Rechnungslegung falsch sein, wenn man es nicht besser wissen konnte? Das klingt ein wenig nach einer esoterischen Fragestellung. Jedoch ist es für die Frage der Fehlerhaftigkeit von Abschlüssen von entscheidender Bedeutung, ob die Perspektive des Rechnungslegers bei Abschlusserstellung oder eine irgendwie geartete übergeordnete Sichtweise entscheidend ist. Das Institut der Wirtschaftsprüfer wie auch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee haben sich hierzu schon in ihren Verlautbarungen geäußert. Inzwischen hat sich auch das OLG Frankfurt dazu positioniert. Die entscheidende Frage ist, ob ein subjektiver oder ein objektiver Fehlerbegriff gilt.

Das OLG Frankfurt hatte im Rahmen eines Enforcement-Verfahrens darüber zu entscheiden, ob die Rechnungslegung in einem Konzernabschluss in 4 Punkten fehlerhaft war. Dabei ging es in einem Fall um die mehrstufige Kapitalkonsolidierung nach IFRS bei Vorhandensein von Minderheiten. Mangels konkreter Regelung in den Rechnungslegungsstandards ist in der Literatur umstritten, ob die sogenannte additive oder die multiplikative Methode zur Anwendung kommen soll. Im konkreten Fall lagen zudem Gutachten vor.

Die Enforcement-Instanz BAFin war der Ansicht, nur die vom Unternehmen nicht gewählte Methode sei zulässig. Dementgegen wurde vertreten, wegen des prominenten Meinungsstreits seien beide Methoden wahlweise anwendbar. Dem Bilanzierenden sei nicht vorzuwerfen, eine in der Literatur durchaus stark vertretene Auffassung gewählt zu haben.

Vor diesem Hintergrund erörtert das OLG die Frage, ob es auf eine objektiv richtige Sichtweise ankommt oder auf die für den Bilanzierenden mögliche Erkenntnis. Das Gericht gelangt für Fragen der Auslegung von Rechnungslegungsnormen zur Ansicht, es komme auf einen objektiven Fehlerbegriff an, wonach letztlich das entscheidende Gericht ex post die richtige Bilanzierungsweise festlegt. Auch wenn sich der Bilanzierende bei seiner Festlegung auf namhafte Literaturbeiträge, Gutachten oder gar auf bisherige Rechtsprechung stützen konnte, spiele das entgegen dem normativ-subjektiven Fehlerbegriff aus Sicht des Gerichts keine Rolle. Das OLG folgt damit im Zivilrecht der Sichtweise der Finanzrechtsprechung zum objektiven Fehlerbegriff, obwohl in den IFRS selbst ein subjektiver Fehlerbegriff normiert ist. Etwas anderes soll aus Sicht des Gerichts nur für Ermessensentscheidungen im Rahmen von Schätzungen gelten, bei denen subjektive Aspekte zum Tragen kommen sollen.

Im Entscheidungsfall kommt das Gericht dann zu keinem abschließenden Ergebnis, welche Bilanzierung richtig sein soll, weil es sich über eine recht windige Argumentation auf die Unwesentlichkeit des Fehlers beruft. Für die weiteren Entscheidungsfragen zur Abgrenzung zahlungsmittelgenerierender Einheiten sowie zu einer fehlenden Anhangangaben zieht das OLG dann ebenfalls den objektiven Fehlerbegriff heran. Zur vierten Frage der Anteilsbewertung stellt das Gericht hingegen auf einen subjektiven Fehlerbegriff ab.

Das OLG Frankfurt bezieht sich bei seiner Argumentation zum Fehlerbegriff auf die handelsrechtliche Bilanzierung: „Ob ein Ansatz im handelsrechtlichen Jahresabschluss mit dem Gesetz vereinbar ist oder gegen das Gesetz verstößt, hängt daher – jedenfalls soweit die reine ´Rechtsanwendung´ bzw. die Auslegung ´des Rechts´ betroffen ist – nicht von den Vorstellungen und Annahmen des bilanzierenden Kaufmanns ab, sondern wird im Streitfall verbindlich durch die Gerichte entschieden.“

Der vom Gericht herangezogene objektive Fehlerbegriff widerspricht sowohl der Sichtweise des IDW in seinem Standard IDW RS HFA 6 als auch der des DRSC in seinem Standard DRS 13, die einem normativ subjektiven Fehlerbegriff zuneigen. Es bleibt abzuwarten, wie IDW und DRSC mit dieser Rechtsprechung umgehen werden.

Für eine tiefer gehende Analyse des Urteils und seiner möglichen Folgen sei auf meine beiden in StuB veröffentlichten Beiträge verwiesen:

Weitere Informationen zur Wesentlichkeit können Sie meine Blogs entnehmen:

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