Fatale Steuerschätzung: Fast 20 Milliarden weniger Steuereinnahmen in 2021

Laut der neuesten Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ werden Bund, Länder und Kommunen im kommenden Jahr mit 19,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen auskommen müssen als im Mai noch erwartet. Wird es nunmehr zu Steuererhöhungen kommen?

Hintergrund:

Die Ergebnisse der 158. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 8. bis 10. September 2020 verheißen nichts Gutes: Bund, Länder und Kommunen müssen im kommenden Jahr demnach wohl noch einmal mit 19,6 Milliarden Euro weniger Mitteln auskommen als ursprünglich erwartet. Der Arbeitskreis rechnet damit, dass erst 2022 das Vorkrisenniveau wieder erreicht wird.

Für das aktuelle Jahr gehen die Steuerschätzer davon aus, dass rund 81,6 Milliarden Euro weniger Steuern eingenommen werden als im Jahr 2019. Somit entsteht ein Rückgang von rund 10,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Erstmals seit der Finanzkrise 2009 sinken damit die Steuereinnahmen. Insbesondere der Bund ist hiervon sehr stark betroffen. Da dieser den größten Teil der finanziellen Lasten aus den Konjunkturpaketen des Sommers trägt, gehen seine Steuereinnahmen im Vergleich zur letzten Schätzung deutlich zurück. Gleichzeitig sollen bundesseitig in diesem Jahr zur Finanzierung der Corona-bedingten Hilfsmaßnahmen, wie z.B. der zeitlich befristeten Mehrwertsteuersatzsenkung und Unterstützungspaketen für stark getroffene Unternehmen, bis zu 217,8 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden. Dies ist fast fünfmal so viel wie im Rekordschuldenjahr 2010.

Deutlicher Rückgang bei Steuereinnahmen auch für 2021 eingeplant

Im Jahr 2021 muss der Bund laut dem Arbeitskreis mit rund 10,6 Milliarden Euro Steuern weniger auskommen als noch im Mai geplant. Während den Ländern rund 8,3 Milliarden Euro fehlen werden, sind es bei den Gemeinden rund 2,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird im kommenden Jahr erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse gebraucht. Man plane deshalb auch nächstes Jahr mit einem sehr hohen Defizit, das – nach der Rekordneuverschuldung von 217,8 Milliarden Euro in diesem Jahr – wohl im zweistelligen Milliardenbereich liegen werde. Auch im kommenden Jahr werde man die Schuldenbremse nicht einhalten können, stellte Scholz in Aussicht. Es gilt: „Selbst, wenn die Krise dann überwunden ist, werden es keine gewöhnlichen Zeiten.“ So seien auch jene Haushaltsplanungen in den folgenden Jahren aufgrund der aktuellen Krise laut des Ministers „eine Herausforderung, die nicht klein ist. Die Wachstumsdelle, die uns jetzt erreicht hat, wird sich im Steueraufkommen sehr lange und wahrscheinlich für immer niederschlagen.“ Er rechne damit, dass erst im Jahr 2023 die Steuereinnahmen des Bundes wieder das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 erreichen werden.

Scholz: „Das Schlimmste liegt wohl hinter uns.“

Trotz der sehr düsteren Zahlen wird die Entwicklung durch Olaf Scholz zusammenfassend überwiegend positiv eingeordnet. So konstatierte er bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen, dass die Einnahmen sich besser entwickelten, „als wir befürchten mussten.“ Es zeige sich, „dass die deutsche Volkswirtschaft ziemlich robust ist. (…) Im Augenblick spricht vieles dafür: Es geht wieder aufwärts.“

Die Gelassenheit des Ministers dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die deutlichen Einbrüche auf der Einnahmenseite insbesondere auf diejenigen Steuerentlastungen zurückzuführen sind, welche die Bundesregierung aufgrund der aktuellen Krise eingeräumt hat. Sie kommen damit nicht völlig überraschend. Vor allem die zeitliche befristete Senkung der Mehrwertsteuer (circa 20 Milliarden Euro) sowie die Einräumung des Kinderbonus (circa 4 Milliarden Euro) schlagen deutlich zu Buche. Zwar kam es Corona-bedingt zu einem deutlichen Einbruch bei der deutschen Wirtschaft, werden die Krisenmaßnahmen allerdings außer Acht gelassen, zeigt sich, dass die Einnahmen des Staates teilweise sogar leicht verbessert verlaufen als zunächst erwartet.

Steuererhöhungen als Option im Wahlkampf?

Dass der Arbeitskreis Steuerschätzung sich zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen hat – eigentlich tagt dieser zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst – dürfte vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass neue Zahlen als Grundlage für den Entwurf des Bundeshaushalts 2021 benötigt wurden. Ihn soll das Kabinett am 23. September 2020 beschließen; und damit 3 Monate später als üblich. Feststehen dürfte, dass die – trotz der positiven Worte von Olaf Scholz – düsteren Aussichten ein Thema im Wahlkampf sein werden. Kritik an den hohen Schulden und der Vorgehensweise von Olaf Scholz übte bereits Friedrich Merz aus: „Der Finanzminister haut zurzeit das Geld raus, als gäbe es kein Morgen mehr. Unsere Kinder werden das alles bezahlen müssen.”

Scholz selbst entgegnete auf die Frage, ob Steuererhöhungen nötig würden, dass grundsätzlich Handlungsbedarf bestehe, wobei es mehrere Möglichkeiten gebe. „Wie Sie wissen, bin ich der Meinung, dass ein faires, gerechtes und leistungsgerechtes Steuersystem einen Beitrag dazu leisten kann.“ Hingegen konstatierte Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion: „Steuererhöhungen und Sparprogramme verbieten sich in dieser unsicheren wirtschaftlichen Lage.“ Und auch die Wirtschaft warnte vor Steuererhöhungen. So konstatierte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK): „Die Steuereinnahmen werden nur dann wieder spürbar ansteigen, wenn auch die wirtschaftliche Erholung an Fahrt gewinnt.“ Steuererhöhungen würden sowohl die Liquidität als auch die Investitionsfähigkeit der Unternehmen weiter schwächen.

Es bleibt daher spannend, wie sich die einzelnen politischen und wirtschaftlichen Akteure weiter positionieren werden. Klar dürfte sein, dass das Thema Finanzen und Steuern zumindest auch in den kommenden Monaten heiß diskutiert werden wird und maßgeblich den Wahlkampf in 2021 dominieren könnte.

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