Fast 100.000 Euro Kosten trotz Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft

Viele Fachbeiträge zu Gestaltungsfragen enden mit dem Hinweis, man solle den geplanten Weg durch eine verbindliche Auskunft absichern lassen. Meine Erfahrungen mit Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft sind aber höchst unterschiedlich. Es gibt zahlreiche Finanzbeamte, für die solche Anträge das „Salz in der Suppe“ des täglichen Arbeitslebens sind und die sie daher mit Freude bearbeiten. Rückfragen werden telefonisch oder sogar in einem persönlichen Gespräch geklärt; auch Anfragen bei der OFD werden nicht gescheut.

Es gibt daneben aber auch viele Finanzbeamte, für die Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft der „blanke Horror“ sind, denn zum einen bedeutet es (viel) Arbeit und zum anderen muss man Rückgrat beweisen. Daher wird gerne folgende Taktik angewandt:

Zunächst werden die Anfragen über Monate nicht bearbeitet. Alsdann wird ein Schriftsatz aufgesetzt, in dem es heißt, der Sachverhalt sei nicht vollständig dargestellt worden (ohne hervorzuheben, an welcher Stelle der Sachverhalt nicht deutlich ist). Und um – sofortige – Rückfragen zu vermeiden, verabschiedet man sich erst einmal in den Urlaub; der Vertreter ist selbstverständlich über den Sachverhalt nicht im Bilde.

Andererseits gibt es steuerliche Berater, die das Instrument der verbindlichen Auskunft inflationär nutzen und damit ebenfalls nicht für eine gute Stimmung zwischen Finanzverwaltung und Beraterschaft sorgen. Ein hochrangiger Finanzbeamter hat einmal von „Vorratsauskünften“ gesprochen, die bestimmte Berater anfordern und deren Verhalten letztlich zur Gebührenpflicht der verbindlichen Auskunft geführt hat.

Genug der Vorrede: Ich möchte darauf hinaus, was geschieht, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zurückgenommen wird. Das kann der Fall sein, wenn sich der vermeintlich so wichtige Fall plötzlich als weniger wichtig und schon gar nicht mehr als dringend entpuppt. Es kann auch sein, dass man – wie oben dargestellt –­ erkennt, dass man aufgrund der Verzögerungstaktik erst am Sankt Nimmerleinstag – und damit zu spät – eine verbindliche Auskunft erhalten wird. Oder es wird zunehmend klarer, dass der Fall aussichtslos ist, dass also zum Beispiel ein Gestaltungsmodell abgelehnt wird. Dann geht es letztlich (nur) noch darum, sich mit dem Finanzamt über die Höhe der Gebühren zu einigen.

Der BFH hat dazu entschieden: Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist. Im Klartext: Selbst bei der Rücknahme des Antrags kann nahezu die volle Gebühr nach dem Gegenstandswert anfallen – und das kann sehr teuer werden (BFH-Urteil vom 4.5.2022, I R 46/18).

Der Sachverhalt:

Die Gesellschafter einer KG mit Sitz im Inland planten, einen Zweitwohnsitz im Ausland zu begründen. Sie beantragten die Erteilung einer verbindlichen Auskunft, um zu erfahren, ob und inwieweit eine steuerlich relevante Entstrickung ihrer Wirtschaftsgüter bzw. ihrer Beteiligungen eintreten wird. Infolge des Antrags kam es zu umfangreichen rechtlichen Prüfungen durch das Finanzamt, das Landesamt für Steuern und das Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz sowie zu einer Besprechung mit den steuerlichen Vertretern der KG beim Landesamt für Steuern und zu mehreren Telefon- und E-Mail-Kontakten. Nachdem das Finanzamt mündlich mitgeteilt hatte, dass auf Grundlage des dargestellten Sachverhalts die beantragte verbindliche Auskunft nicht erteilt werden könne, wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert.

Letztlich nahm die KG ihren Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zurück. Als Grund gab sie an, die Gesellschafter hätten von den Überlegungen zur Verlagerung ihres Wohnsitzes in das Ausland Abstand genommen. Das Finanzamt setzte für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens gemäß § 89 Abs. 3 bis 7 AO eine Gebühr in Höhe von 98.762 Euro fest. Bei der Berechnung ging es von einem Gegenstandswert in Höhe von 30 Mio. Euro (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr in Höhe von 109.736 Euro. zur Folge gehabt hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es aber sachgerecht, diese Gebühr um 10 Prozent zu ermäßigen. Der BFH hat dieses Ergebnis bestätigt. Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit lediglich die Zeitgebühr in Höhe von 15.600 Euro abzurechnen (156 Stunden x 100 € pro Stunde), sei nicht erkennbar. Damit widerspricht der BFH der Vorinstanz, die eine solche Ermessensreduzierung gesehen hatte.

Denkanstoß

Verbindliche Auskünfte können teuer sein. Dass aber selbst bei einer Rücknahme des Antrages fast die volle (Gegenstands-)Gebühr entsteht, dürfte wohl Vielen nicht bewusst sein. Man kann sicherlich darüber streiten, ob 100.000 Euro für einen Aufwand von 156 Stunden angemessen sind. Die Kläger und auch die Vorinstanz haben den Betrag jedenfalls als unangemessen hoch empfunden. Andererseits ist Gegenstandswert halt Gegenstandswert. Und 30 Mio. Euro potenzielle Steuern, um die es ja mindestens ging, sind auch keine „Peanuts“, um dieses Unwort an dieser Stelle einmal zu benutzen.

Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass das oben Gesagte nur gilt, wenn das Finanzamt bereits tätig geworden ist. Hat die Finanzbehörde noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist die Gebühr auf Null zu ermäßigen. In diesem Fall kann aus Vereinfachungsgründen bereits von der Erteilung eines Gebührenbescheids abgesehen werden.


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