Seit Jahr und Tag beschäftigt die Finanzgerichte im Zusammenhang mit der Änderung von Steuerbescheiden die Frage, wann eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 129 AO gegeben ist. Das FG Hamburg hat die Problematik um eine weitere Facette bereichert. Zugunsten der Steuerpflichtigen hat es entschieden, dass die Änderung eines Steuerbescheides ausscheidet, wenn Lohndaten vom Arbeitgeber zwar falsch übermittelt worden sind, der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Steuererklärung aber die korrekten Belege eingereicht hatte (Gerichtsbescheid vom 4.10.2018, 3 K 69/18).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde, der hier – man glaubt es kaum – sogar noch etwas verkürzt wiedergegeben wird: Der Kläger bezog Versorgungsbezüge. In den beiden ihm übersandten Lohnsteuerbescheinigungen war ein Bruttoarbeitslohn von insgesamt 38.961 EUR eingetragen. Versorgungsbezüge wurden in identischer Höhe bescheinigt. Bei den vom Arbeitgeber an das Finanzamt übermittelten Lohnsteuerdaten fehlte jedoch die Angabe der Versorgungsbezüge. Stattdessen ist ein Bruttoarbeitslohn von insgesamt 38.961 EUR gemeldet worden. In der persönlich abgegebenen Steuererklärung war in der Anlage N ebenfalls ein Bruttoarbeitslohn von 38.961 EUR eingetragen. Angaben zu Versorgungsbezügen fehlten. Allerdings legte der Steuerbürger seine Lohnbescheinigung vor, die die zutreffenden Daten enthielt.
Die Sachbearbeiterin des Finanzamts überprüfte die ihr ausgehändigten Belege, hakte die einzelnen Positionen ab und gab die Belege anschließend zurück. Die ihr vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen überprüfte sie wegen der elektronischen Datenübermittlung vor der Rückgabe nicht mehr. Später ergänzte ein anderer Beamter die fehlende Angabe der Versorgungsbezüge in der Anlage N. Aufgrund eines Fehlers sind dann aber nicht nur der Freibetrag für Versorgungsbezüge, sondern fälschlicherweise auch der Arbeitnehmerpauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag berücksichtigt worden.
Nachdem der Arbeitgeber die übermittelten Daten korrigiert und das Finanzamt entsprechend informiert worden ist, änderte dieses den Einkommensteuerbescheid und ließ nun den Arbeitnehmerpauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Das Gericht hält eine Änderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO für unzulässig. Auch eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen scheide aus. Weil das Finanzamt den Fehler aus der Einkommensteuererklärung nicht mechanisch übernommen, sondern die fehlende Angabe durch eigene, allerdings unzutreffende Sachverhaltsermittlungen in Form des Abgleichs der Erklärung mit den elektronischen Daten ergänzt habe, fehle es an einer offenbaren Unrichtigkeit. Die Entscheidung des FG Hamburg ist rechtskräftig.
Hinweis: Das Gericht musste sich noch nicht mit den Änderungsmöglichkeiten befassen, die das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gebracht hat. Für Besteuerungszeiträume ab 2017 kann sich die Finanzverwaltung in ähnlichen Fällen möglicherweise auf § 175b AO (Änderung von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte) berufen. Allerdings wird auch diese Vorschrift die Gerichte sicherlich noch beschäftigen.
Weitere Informationen:
Finanzgericht Hamburg v. 04.10.2018 – 3 K 69/18