Darf ein Berufsgeheimnisträger Daten im Fahrtenbuch anonymisieren, ohne dass die Beweiskraft des Fahrtenbuchs dadurch eingeschränkt ist? Und falls ja, wie weit dürfen die Anonymisierungen gehen? Mit diesen Fragen muss sich der BFH nun in dem Verfahren mit dem Az. VIII R 35/24 befassen. Vorausgegangen ist ein durchaus bemerkenswertes Urteil des FG Hamburg vom 13.11.2024 (3 K 111/21).
Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, legte dem Finanzamt ein Fahrtenbuch vor. Darin waren bei allen beruflich veranlassten Fahrten – bis auf drei Ausnahmen – die Eintragungen in den Spalten „Fahrtstrecke“ und „Grund der Fahrt / besuchte Personen“ geschwärzt. Zahlreiche als beruflich eingetragene Fahrten hatten an Wochenenden stattgefunden. Zu den Schwärzungen erklärte der Kläger, dass die geschwärzten Eintragungen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Die Offenbarung von Daten sei für ihn immer schon dann unzumutbar, wenn ein Restrisiko bestehe, dass diese Offenbarung später als Verletzung seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht eingestuft werde. Dennoch verwarfen das Finanzamt und auch das Finanzgericht das Fahrtenbuch und berechneten die Privatnutzung des Pkw nach der Ein-Prozent-Methode.
Man muss dazu sagen, dass der Sachverhalt und vor allem die Begründung des Klägers hier stark verkürzt wiedergegeben wurden. Tatsächlich gab es ein ganzes Feuerwerk von Argumenten des Klägers. Es lohnt sich, diese ausführlich zu studieren, doch es würde den Rahmen dieses Blog-Beitrages sprengen, alle Argumente aufzulisten.
Die Begründung des Gerichts in aller Kürze:.
Auch die Urteilsbegründung ist sehr komplex, so dass sie hier nur in aller Kürze vorgestellt wird. Unter anderem führt das FG aus, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nur dann vorliege, wenn die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sind. Berufsgeheimnisträger seien zwar berechtigt, bei der Vorlage eines Fahrtenbuchs Schwärzungen vorzunehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Die Schwärzungen müssten jedoch auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben und dürften sich nicht auf Daten erstrecken, die nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Schwärzungen dürften daher nur bei solchen Daten vorgenommen werden, die Rückschlüsse auf die Identitäten von Mandanten zulassen. Ortsnamen dürften grundsätzlich nicht geschwärzt werden. Keine Schwärzungen dürften ferner vorgenommen werden bei Fahrten in die eigene Kanzlei oder Fahrten zu Behörden, wenn zu diesen kein Mandatsverhältnis besteht.
Wenn ein Berufsgeheimnisträger berechtigt ist, einzelne Eintragungen in seinem Fahrtenbuch zu schwärzen, ändere dies nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung. Lediglich die Anforderungen an die Überprüfbarkeit des Fahrtenbuchs könnten in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls herabgesetzt werden. Gegebenenfalls müsse der Berufsträger substantiiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem erfolgten Umfang erforderlich waren, und die berufliche Veranlassung der betroffenen Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen. Gemessen daran könne das Fahrtenbuch im Streitfall nicht anerkannt werden. Es weise nicht einzelne Schwärzungen bei einzelnen Fahrten auf; vielmehr sei nahezu eine gesamte Spalte mit Daten geschwärzt, die erforderlich seien, um die materielle Richtigkeit des Fahrtenbuchs prüfen zu können.
Denkanstoß:
Es ist zu begrüßen, dass das FG die Schwärzung von Daten im Fahrtenbuch für grundsätzlich zulässig erachtet hat, zumal manch Finanzbeamter immer noch eine uralte Anweisung der Finanzverwaltung (BdF vom 1.8.1997, S 2177, NWB EAAAA-84692) zitiert, in der es heißt: „Anders als Abgeordnete und Medienberufe dürfen nämlich Freiberufler nicht die Auskunft über die Person verweigern, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Freiberufler Tatsachen anvertraut hat, sondern nur über die Tatsachen selbst.“
Es ist zu hoffen, dass der BFH umfassend – und über den Einzelfall hinaus – darlegt, wie weit die Schwärzungen im Einzelnen gehen dürfen.
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
- Autor zahlreicher Fachbeiträge
- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
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Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.
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