Fahrten von Leiharbeitern zur Tätigkeitsstätte – BFH urteilt zugunsten der Arbeitnehmer

Als das steuerliche Reisekostenrecht im Jahre 2014 geändert und aus der regelmäßigen Arbeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte wurde, sollte alles besser und einfacher werden. Rund neun Jahre später weiß man, dass nichts besser und schon gar nicht einfacher wurde. Angesichts der unzähligen streitigen Verfahren darf man wohl zurecht die Frage stellen, was die damalige Reform überhaupt für einen Nutzen hatte.

Besonders umstritten waren – und sind – mitunter Fälle rund um Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer. Mit zwei Urteilen aus dem Jahre 2019 (VI R 36/16 und VI R 6/17) hatte der BFH zwar versucht, für Klarheit zu sorgen, doch offenbar ist ihm dies nicht zur Gänze gelungen. Jedenfalls ließ ein Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.5.2020 (1 K 382/16) aufhorchen.

Etwas vereinfacht gesagt wurde entschieden:

Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem Zeitarbeitsunternehmen stehen, können selbst dann nur die Entfernungspauschale für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte geltend machen, wenn das Zeitarbeitsunternehmen mit dem jeweiligen Entleiher des Arbeitnehmers eine Befristung der Tätigkeit vereinbart hat. Gegen das Urteil ist aber glücklicherweise die Revision eingelegt worden. Und siehe da: Der Kläger war erfolgreich (BFH 12.5.2022, VI R 32/20).

Es ging um folgenden Sachverhalt:

Der Kläger befand sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Zeitarbeitsunternehmen A. Eingesetzt war der Kläger dann vereinbarungsgemäß ab Vertragsbeginn ausschließlich und durchgängig bei der Firma B. Das Leiharbeitsverhältnis des Klägers war nach den zwischen A (Verleiher) und B (Entleiher) geschlossenen Vereinbarungen befristet. Der weitere Einsatz bei der Firma war also davon abhängig, dass diese nach Ablauf der jeweiligen Frist mit A ein weiteres (befristetes) Leiharbeitsverhältnis begründete. Dies ist bis über das Streitjahr 2014 hinaus stets geschehen. Im Streitjahr selbst war der Kläger zunächst für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September und danach vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember im Rahmen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses zwischen A und B tätig. In seiner Steuererklärung machte der Kläger für seine Fahrten von der Wohnung zu seinem Einsatzort bei B Fahrtkosten mit 30 Cent pro gefahrenen Km geltend.

Dies lehnte das Finanzamt ab und berücksichtige nur die Entfernungspauschale. Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG zurück. Die Begründung des FG: Der Kläger hatte an seinem Einsatzort bei B seine erste Tätigkeitsstätte. Denn er war diesem Einsatzort dauerhaft zugeordnet. Es handelt sich nicht um einen Fall der so genannten Kettenabordnung. Denn der Kläger ist für einen Einsatz bei B eingestellt und ausschließlich dort eingesetzt worden.

Dem ist der BFH nun entgegen getreten. Bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses liegt keine dauerhafte Zuordnung zur Entleiherfirma vor; es besteht dort folglich keine erste Tätigkeitsstätte. Besteht der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG.

Denkanstoß

Das Urteil des BFH dürfte bei den betroffenen Steuerpflichtigen für Erleichterung sorgen. In ähnlichen Fällen sollten die Fahrtkosten daher nach Reisekostengrundsätzen geltend gemacht werden. Gegebenenfalls sind auch Mehraufwendungen für Verpflegung zu berücksichtigen. Allerdings müssen „Leiharbeitsfälle“ sauber analysiert werden, denn nicht in jedem Fall bleibt die erste Tätigkeitsstätte beim Verleiher bzw. besteht erst gar keine erste Tätigkeitsstätte.

Der Betrieb des Entleihers kann die erste Tätigkeitsstätte“ sein, wenn Leiharbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung des Kunden dauerhaft zugeordnet sind. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer „solchen“ Tätigkeitsstätte, also beim Entleiher, tätig werden soll.


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