Am 7.8.2023 hat der für Notarangelegenheiten zuständige BGH-Senat über die Frage verhandelt, ob die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für Notare gegen höherrangiges Recht verstößt. Der Verfahrensausgang (BGH, NotZ(Brfg) 4/22) hat weit über Einzelfall hinaus reichende Bedeutung für die Frage möglicher Altersdiskriminierung bestimmter Berufsgruppen.
Worum geht es im Streitfall?
Der Kläger ist Anwaltsnotar und wird im Laufe des Jahres 2023 das 70. Lebensjahr vollenden. Er macht geltend, die Höchst-Altersgrenze von 70 Jahren für Notare verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, das sich aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (EU RL 2000/78) ergebende Verbot der Diskriminierung wegen Alters ergibt. Die Altersgrenze sei angesichts eines erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EU RL 2000/78 objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Mit seiner Feststellungsklage, dass sein Notaramt nicht mit Ablauf des Monats der Vollendung des 70.Lebensjahres ende, ist der Kläger vor dem OLG Köln (v. 10.2.2022 – Not 5/21) unterlegen; vor dem BGH verfolgt er sein Ziel weiter.
Hintergrund und rechtliche Regelung
Ob Testament, Erbvertrag oder Kauf einer Immobilie: Bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen zwingend der Beurkundung durch einen Notar. Der Zugang zum Notaramt ist zahlenmäßig limitiert und Volljuristen vorbehalten. Aktuell gibt es bundesweit rund 1.700 hauptberufliche Notare/-innen und rd. 5.600 Anwaltsnotare/innen, die neben dem Notartätigkeit noch den Anwaltsberuf ausüben.
Nach § 47 Abs.1 Nr. 2 Bundesnotarordnung (BNotO) erlischt das Amt des Notars kraft Gesetzes mit Erreichen der in § 48a BNotO bestimmten Altersgrenze, also mit Ablauf des Monats, in dem der Notar das 70.Lebensjahr vollendet. Die Höchstaltersgrenze für die Ausübung des Notarberufs als eines öffentlichen Amtes soll eine geordnete Altersstruktur, insbesondere im Anwaltsnotariat sicherstellen (BT-Drs. 11/8307, S.18), häufige Notariatswechsel vermeiden und durch eine lange Verweildauer von Notaren deren wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherstellen. Das EU-Gemeinschaftsrecht verbietet demgegenüber in Art.21 Abs.1 EU-Grundrechtecharta eine Diskriminierung u.a. wegen Alters. In die gleiche Zielrichtung weisen Art. 1, Art. 2 Abs. 2 a) der EU RL 200/78/EG.
Einordnung und Bewertung
Der BGH (v. 22.3.2010 – NotZ 16/09, NJW 2010, 3783; v. 17.3.2014 – NotZ (Brfg) 21/13, ZNotP 2014, 111) und das BVerfG (v. 27.6.2014 – 1 BvR 1313/14) sind bislang davon ausgegangen, dass die Höchstaltersgrenze für Notare nicht gegen das Grundgesetz (GG), insbesondere nicht gegen die Freiheit der Berufswahl (Art.12 Abs. 1 GG) verstößt.
Im jetzigen Fall macht der Kläger aber die Unvereinbarkeit der deutschen Regelung mit Unionsrecht geltend. Er beruft sich hierbei auf den EuGH (v. 3.6.2021 – C 914/19, NJW 2021, 2183), der unter Verweis auf Art 6 Abs.1 EU RL 2000/78/EG entschieden hat, dass eine nationale Regelung unzulässig, die die Zulassung zum Auswahlverfahren beim Notarberuf eine Altersgrenze von 50 Jahren festlegt. Das OLG Köln (v. 10.2.2021 – Not 5/21) hat hierzu die Ansicht vertreten, das EuGH-Urteil betreffe keine Höchstaltersgrenze, sondern eine (unzulässige) Altersgrenze von 50 Jahren für die Zulassung zum Notars-Auswahlverfahren.
Den Notarstand plagen zwar Nachwuchssorgen, trotz lukrativer Verdienstmöglichkeiten können viele Notarstellen – vor allem im ländlichen Raum – nicht besetzt werden. Ob der BGH aber deshalb der Ansicht des Klägers folgt, erscheint fraglich. Denn zur starren Altersgrenze von 60 Jahren für Notariatsbewerber (§ 6 Abs. 1 BNotO) hat der BGH bereits in 2019 (BGH v. 27.5.2019 – NotZ (Brfg) 7/18) einen Verstoß gegen die genannten EU-Altersdiskriminierungsverbote verneint.
Mal sehen wie der BGH nach der Verhandlung am 7.8.2023 entscheiden wird ….
Weitere Informationen:
BGH Pressemitteilung Nr. 131/2023 v. 28.7.2023
Ich wusste nicht, dass es eine Altersgrenze bei Notaren gibt. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann kann man erst ab einem gewissen Alter Notar werden. Warum ist das denn so, und wie hat sich die Regeln etabliert?
Vielen Dank für diesen Überblick über die Altersgrenze für Notare. Bislang war mir nicht bekannt, dass es eine Altersgrenze von 70 Jahren in diesem Beruf gibt. Ich werde mit meinem Schwiegervater darüber sprechen, da er bereits seit 20 Jahren als Notar tätig ist, um zu erfahren, was er davon hält. Danke für die informative Übersicht!
„Bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen zwingend der Beurkundung durch einen Notar.“
Stimmt, aber ein Testament gehört nicht dazu. Es kann notariell beurkundet werden, was aber nicht zwingend ist.