Dank vorlauter Politiker ist zumindest Hartz IV wieder im Gespräch. Es geht um die Rahmenbedingungen, in dem die Ärmsten unserer Bevölkerung leben können und auch dann müssen. Dieser Gradmesser bestimmt gleichzeitig das Existenzminimum, das einem jeden Bürger steuerfrei bleiben muss. Das Grundgesetz fordert eine menschenwürdige Gewährung des Existenzminimums und selbstverständlich eine realistische Höhe.
Die Politik streitet je nach politischer Anschauung über die Modalitäten und Sicherstellung dieses Verfassungsauftrages. Ich persönlich halte das steuerliche Existenzminimum für absolut wesentlich zu niedrig. Das Existenzminimum soll den Aufwand für ein gesundes, gebildetes Leben abbilden. Davon sind wir weit entfernt.
Wer arbeiten will und damit steuertechnisch Einkünfte erzielen will, braucht ein höheres Existenzminimum. Da sind die Kosten für die angemessene Wohnung, die man bereits nutzte (Nähe zum damaligen Arbeitsplatz) genauso weiter zu gewähren wie ein durchschnittlicher PKW, um damit zur Arbeit fahren zu können.
Diese Größe muss sich bereits durch das Lebensbild derjenigen unterscheiden, die nicht arbeiten wollen oder können.
Deren Existenzaufwand ist entsprechend kleiner, aber auch gesunde Ernährung und Bildung ist sicherzustellen. Fazit: die Beträge sind zu niedrig. Da haben einige Politiker den Realitätsbezug verloren. Leider auch die Gerichte, denn diese beziehen sich auf die Angaben des Bundesamtes für Statistik und sind nicht kritisch in der Abwägung der Zusammensetzung der dargelegten Bezugsgrößen.
Im Radio hörte ich darüber eine Diskussion. Meinungen und Stimmen des Volkes, u. a. die Empfänger der Sozialleistungen selbst. Hartz IV reicht der Höhe nach nicht aus, wurde intensiv beklagt. Der Zuverdienst über eine Aushilfstätigkeit von € 450,- hilft nicht weiter, selbst wenn man es wollte. Da in diesen Fällen häufig die zweite Lohnsteuer-Karte mit Steuerklasse VI vorgelegt werden muss, fallen erst einmal sehr hohe LSt-Abzüge an. Diese Härte wird wohl am Jahresende durch die später abgegebene Steuererklärung, verbunden mit der Steuererstattung „geglättet“.
Nur zu Recht wies die Hörerin darauf hin, dass Ihr jetzt, also monatlich, das Geld fehlt. Eine Korrektur durch das EStG könnte helfen, in dem für diese Fälle ein monatlicher Freibetrag zu gewähren ist, um einen zu hohen Steuerabzug zu verhindern – oder die Steuerklasse VI ist erst bei einem höheren Verdienst anzuwenden. Nur darauf wird keiner kommen. Die Politiker sind zu weit weg vom Geschehen und die gut versorgten Spitzenbeamten können sich dieses Problem gar nicht vorstellen.
Ich als Steuerberater war auch etwas erstaunt, weil dieses Problem nicht der Alltag unserer Beratung ist. Umso mehr sollte man zuhören, lesen und handeln!
Aus steuerfachlicher Sicht verstehe ich das Problem nicht. Eine „Aushilfstätigkeit von € 450,-“ (sprich: Minijob) wird in der Regel pauschal versteuert, so dass keine (elektronische) Lohnsteuerkarte vorzulegen ist. Die Fälle, in denen eine reguläre Besteuerung für den Minijob gewählt wird, also der Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte vorlegen muss, und außerdem schon eine weitere (Haupt-) Beschäftigung besteht, dürften eher selten sein. Aber selbst wenn solche Fälle mal vorkommen: Genau das Problem mit dem Freibetrag hat der Gesetzgeber doch schon in § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG gelöst.
Zugegeben: Das Verfahren könnte einfacher sein. Aber inhaltlich entspricht das doch genau dem Petitum.
Sehr geehrter Herr Dr. Kleinmanns,
herzlichen Dank für Ihre prompte Stellungnahme. In der Tat, da habe ich vor lauter Paragraphen diesen übersehen (§ 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG). Aber wenn schon der „Experte“ mangels praktischer Fälle in seiner Praxis diese Vorschrift nicht spontan kennt, wie soll der gewöhnliche Durchschnittsanwender des Steuerrechtes diese Vorschrift kennen? Und dann noch anwenden ohne steuerlichen Rat! Wer versteht diese Vorschrift?
Mein Ansatz für das Gesetz ist einfacher:
– Ermittlung des zu versteuernden Einkommens von allen Bezügen
– Vergleich des geschätzten endgültigen Steuersolls mit der monatlich abzuführenden LSt
– Differenzbetrag wird bei Guthaben entsprechend des Steuersatzes als Freibetrag gewährt
Diese Überschlagsrechnung birgt für den Fiskus (die Allgemeinheit) ein kleines finanzielles Risiko. Der geringverdienende Bürger könnte ESt nachzahlen müssen. Diese Steuer einzutreiben ist kompliziert und nicht immer gewährleistet. Das könnte aber auch daran liegen, dass der Grundfreibetrag (das Existenzminimum) doch nicht ausreichend ist. Genau darum geht es mir in meinem Blog. Realistische Größen und Grenzen in sachgerechter Abstimmung bei verständnisvollem Gesetz. Könnte möglich werden, wenn sich die Bereitschaft der dies zu verantwortenden „Experten“ verbessert und parteipolitische Ideologie ausgeklammert wird.
Oder bin ich an dieser Stelle ein Träumer?