Ähnlich wie bei Fernsehserien haben auch manche steuerlichen Fragestellungen das Potenzial, sich zu einer spannenden Serie auszuwachsen, bei der aktuelle Entwicklungen weitere Fragen aufwerfen. So hatte die Rechtsprechung in der jüngsten Vergangenheit die Rechtsprechung des EuGHs hinsichtlich der Berücksichtigung „finaler“ Verluste bereits Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Doch nun soll der EuGH aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des BFH für Klarheit sorgen. So legte der BFH mit Beschluss vom 06.11.2019 (I R 32/18) dem EuGH einige Zweifelsfragen hinsichtlich des Abzugs „finaler“ Verluste einer EU-Freistellungsbetriebsstätte vor.
In der Vergangenheit hatte der EuGH in der Rs. Timac Agro (17.12.2015, C-388/14) die Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste zuerst de facto abgelehnt und sich dann mit jüngerer Rechtsprechung aus dem Jahr 2018 in der Rs. Bevola/Trock (12.06.2018, C-650/16) gegenteilig geäußert, dass die Berücksichtigung finaler Verluste unionsrechtlich geboten sei. Der EuGH scheint bei dieser Thematik also einen „Schlingerkurs“ zu fahren, sodass (nicht nur) der BFH die Problematik der Berücksichtigung von finalen Verlusten als nicht hinreichend geklärt ansieht.
Aber auch eine unmittelbare Übertragung der Rs. Bevola/Trock auf den Fall des aktuellen Vorlagebeschlusses zugunsten des Steuerpflichtigen ist strittig. Denn ein wesentlicher Unterschied zur Rs. Bevola/Trock könnte sich daraus ergeben, dass der Verlustausschluss in der Rs. Bevola/Trock nicht – wie in der aktuellen Rs. – auf einer bilateralen DBA-Vereinbarung (Freistellungsmethode), sondern auf einer auf dem Territorialprinzip beruhenden unilateralen Bestimmung des nationalen (dänischen) Steuerrechts beruhte. Daher gilt nun grundsätzlich zu klären, ob sich aus der Niederlassungsfreiheit eine Pflicht zur Berücksichtigung „finaler“ Verluste der ausländischen Freistellungsbetriebsstätte beim deutschen Stammhaus ergibt.
Sofern der EuGH eine Pflicht zur Berücksichtigung „finaler“ Verluste bejaht, stellt der BFH die weitere Frage, ob sich diese auch auf die Gewerbesteuer erstreckt. Nach eigener Rechtsprechung des BFH sieht dieser zwar keinen Widerspruch zwischen der Berücksichtigung der Verluste im Rahmen der Gewerbesteuer und des strukturellen Inlandsbezugs (Territorialitätsprinzip), aufgrund der Kritik an dieser Rechtsprechung seitens des BMF und Teilen des Schrifttums hält es der BFH nun aber für geboten, dies vom EuGH (hoffentlich) bestätigen zu lassen.
Des Weiteren wurden dem EuGH die folgenden Fragen vorgelegt:
- Sind im Falle der Schließung der in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte „finale“ Verluste zu verrechnen, obwohl die zumindest theoretische Möglichkeit besteht, dass die Gesellschaft erneut eine Betriebsstätte in dem betreffenden Mitgliedstaat eröffnet, mit deren Gewinnen die früheren Verluste ggf. verrechnet werden könnten?
- Kommen als zu berücksichtigende „finale“ Verluste auch mindestens einmal in einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum vorgetragene Verluste der Betriebsstätte in Betracht?
- Ist die Pflicht zur Berücksichtigung der grenzüberschreitenden „finalen“ Verluste der Höhe nach begrenzt durch diejenigen Verlustbeträge, die die Gesellschaft in dem betreffenden Belegenheitsstaat der Betriebsstätte hätte ansetzen können, wenn nicht die Verlustberücksichtigung dort ausgeschlossen wäre?
Eine Entscheidung des EuGH zum aktuellen Vorabentscheidungsersuchen bleibt nun mit Spannung abzuwarten, auch wenn befürchtet werden muss, dass es sich bei der unendlichen Geschichte der „finalen Verluste“ nur um ein weiteres Kapitel handelt. Das Staffelfinale ist jedenfalls noch lange nicht in Sicht ist, denn auch die Frage der Nutzung finaler Verluste von EU-Tochtergesellschaften bei ihrer inländischen Muttergesellschaft gilt es von dem EuGH noch zu klären.
Weitere Informationen:
- BFH, Beschluss v. 06.11.2019 – I R 32/18
- EuGH, Urteil v. 17.12.2015 – C-388/14
- EuGH, Urteil v. 12.06.2018 – C-650/16