Vor wenigen Tagen hat der Europäische Gerichtshof die mit Spannung erwartete Entscheidung in der Rechtssache Brockenhurst veröffentlicht. Dort stellte sich die Frage, ob die Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsleistungen auch die Umsätze eines Lehrrestaurants umfassen kann. Anders als die Generalanwältin halten die Richter das für möglich.
Das College ist eine höhere Bildungseinrichtung, die Lehrgänge über Gastronomie, Gastgewerbe und darstellende Künste anbietet. Damit die Studenten dieser Lehrgänge Kenntnisse unter praxisnahen Bedingungen erwerben können, betreibt das College durch Studenten und unter der Aufsicht ihrer Tutoren ein Restaurant, wobei sich diese Angebote an Personen außerhalb der Bildungseinrichtung richten. Das Restaurant ist einem eingeschränkten Publikum zugänglich, welches sich aus Personen zusammensetzt, die sich für die vom College organisierten Veranstaltungen interessieren könnten. Diese Personen sind in einer Datenbank erfasst, damit sie durch einen Newsletter über diese Veranstaltungen auf dem Laufenden gehalten werden. Sie sind darüber informiert, dass die Veranstaltungen im Rahmen der Ausbildung der Studenten zu einem ermäßigten Preis angeboten werden, der hinsichtlich der Bewirtung ungefähr 80 % der tatsächlichen Kosten entspricht. Gehen beim Restaurant nicht für mindestens 30 Personen Reservierungen ein, wird die Bewirtung abgesagt.
Unproblematisch ist die Bildungsleistung von Brockenhurst an die „Kochschüler“ steuerfrei. Vom EuGH war nun zu beurteilen, ob gleiches für die Restaurantumsätze gilt. Brockenhurst stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass es sich um „eng verbundene Umsätze“ der Bildungsleistung handele. Hierzu hatte das vorlegende Gericht in Großbritannien festgestellt, dass der praktische Unterricht als integraler Bestandteil des Lehrgangs ausgestaltet sei. Ohne ihn könnten die Studenten nicht den vollen Nutzen aus ihrer Ausbildung ziehen.
Dennoch sprach sich Generalanwältin Kokott gegen die Ausweitung der Steuerbefreiung aus. Denn schließlich zögen aus der Preisermäßigung nicht die Schüler, sondern die Restaurantgäste einen Vorteil. Das sei von Sinn und Zweck der Bildungsbefreiung nicht mehr erfasst. Ohnehin seien die Steuerbefreiungen als Sonderregelungen im Mehrwertsteuersystem eng auszulegen.
Die Richter im Fall sahen das anders. Nur selten fallen Urteile vollkommen entgegen der Vorschläge aus der Generalanwaltschaft aus. Tatsächlich ist die Entscheidung auch nicht restlos überzeugend. Denn das Urteil thematisiert den Systemeinwand der Generalanwältin gar nicht. Wollte man aber eine Grenze zum Umfang der Bildungsbefreiung ziehen, hätte sich hier der Verlauf klar angeboten.
Nun erscheint die Rechtsprechung in diesem Punkt gefestigt. In der (Beratungs-)Praxis gilt es, den vom EuGH eingeräumten Spielraum zu nutzten. Aus meiner Sicht ist etwa die Steuerpflicht des Verkaufs von Lehrmaterialien in Zweifel zu ziehen. Will man – mit der Finanzverwaltung – schon keine Nebenleistung annehmen, ist zumindest das Vorliegen eng verbundener Umsätze ernsthaft in Betracht zu ziehen.
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