EU kassiert Berufsrecht?

Gemäß einem Bericht der F.A.Z. vom Mittwoch hat die EU-Kommission Deutschland aufgefordert, verschiedene Regelungen des Berufsrechts von Freiberuflern zu rechtfertigen. Betroffen sind auch die Steuerberater. Kommt es nun zum großen Umbruch?

Der genaue Umfang der EU-Ermittlungen lässt sich derzeit nicht bestimmen. Da offenbar noch kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, existieren keine öffentlichen Informationen. Die EU-Kommission war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar („Brückentag“…). Üblicherweise führt die Kommission vor einem formellen Verfahren jedoch auch erst Gespräche mit dem betroffenen Mitgliedstaat im eher informellen Rahmen. Dabei wird die Kommission in mehreren hundert Fällen pro Jahr tätig, wovon nur wenige in ein Vertragsverletzungsverfahren münden.

Im konkreten Fall sind die Ermittlungen offenbar auf die Agenda Europa 2020 zurückzuführen. Im Rahmen von volkswirtschaftlichen Untersuchungen hatte die Kommission kürzlich zum wiederholten Male festgestellt, dass die Arbeitsproduktivität der Freiberufler in Deutschland stagniert bis sinkt. Dabei handelt es sich um ein Maß, welches die Effizienz von Arbeit als eingesetztem Produktionsfaktor darstellt. Ein niedriger Wert indiziert einen unzureichenden Wettbewerb in diesem Bereich. Hierfür hat die Kommission eine Überregulierung der freien Berufe als Ursache ausgemacht. Während Deutschland allgemein eher als wettbewerbsfreundlich gilt, setzte die OECD bei einer Untersuchung von 19 EU-Mitgliedern Deutschland in puncto Freiberufler nur auf den vorletzten Platz. Auf frühere Empfehlungen der EU hat die Bundesregierung bislang in den Augen Kommission zumindest unzureichend reagiert. Entsprechend verleiht ‚Brüssel‘ seinem Anliegen nun etwas mehr Nachdruck.

Kommt Deutschland den Forderungen nach, dürften einige Bereiche des Berufsrechts liberalisiert werden. Denkbar sind etwa Reformen in der Vergütungsverordnung, wo viele Regelungen tatsächlich wettbewerbsfeindlich erscheinen (etwa Stichwort: Erfolgshonorar). Besonders vehement verteidigt werden wohl die Anforderungen an die Berufsqualifikation, z.B. das Steuerberatungsgesellschaften ausschließlich von examinierten Berufsträgern geführt werden dürfen. Dies stellt sich im EU-Ausland teilweise grundlegend anders dar. Ein großer Streitpunkt dürfte dann auch in der Erbringung von Steuerberatung aus dem EU-Ausland zu sehen sein. So wurde vorgestern etwa eine BFH-Vorlage hierzu vor dem EuGH verhandelt. Dort hatte eine britische Steuerberatungsgesellschaft von den Niederlanden aus in Deutschland steuerlich beraten. Da die Geschäfte in Deutschland jedoch durch keinen Berufsträger erbracht wurden, versagte die Steuerberaterkammer die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft. In der Folge konnte der Kläger keine Mandanten gegenüber dem Finanzamt vertreten. Der BFH hält dies nach deutschem Recht für zulässig, fragte den EuGH jedoch nach möglichen Verstößen gegen die Dienstleistungsfreiheit.

Nachtrag (18. Juni 2015): Schneller als gedacht hat die EU-Kommission nun ein formelles Verfahren eingeleitet. Allerdings wurde das Verfahren wohl auf Fragen des Gebührenrechts beschränkt, konkret die Mindestgebühren.

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