Die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer ist extrem teuer, dennoch dürfen die Ausbildungskosten nur in Höhe von maximal 6.000 Euro als Sonderausgaben abgezogen werden. Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn es sich um eine Zweitausbildung handelt oder – ausnahmsweise – ein Ausbildungsdienstverhältnis gegeben ist. Da beim Sonderausgabenabzug kein „Verlustvortrag“ möglich ist, bleiben die hohen Kosten der Pilotenausbildung steuerlich zumeist vollkommen ohne Auswirkung. Dass dies zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2019 bestätigt (Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14). Insofern wäre es für einen angehenden Piloten von Vorteil, wenn er vor der Pilotenausbildung eine Erstausbildung absolviert hätte. Denn die Kosten einer Zweitausbildung sind als Werbungskosten voll abziehbar und auch ein Verlustvortrag kommt bei negativen Einkünften in Betracht.
Was ist aber eine Erstausbildung?
Nach der alten Rechtslage bis 2014 reichte eine so genannte Schnellausbildung aus, beispielsweise die Ausbildung zum Rettungssanitäter mit einer Dauer von acht Monaten (BFH 27.10.2011, VI R 52/10) oder die Ausbildung zur Flugbegleiterin mit einer Dauer von sechs Monaten (BFH 28.2.2013, VI R 6/12). Seit 2015 liegt eine Erstausbildung hingegen nur dann vor, wenn die Ausbildung mindestens zwölf Monate in Vollzeit dauert und mit einer Prüfung abgeschlossen wird.
Kürzlich musste der BFH nochmals zur alten Rechtslage bis 2014 entscheiden
Sein positives Urteil: Eine nur sechswöchige Ausbildung zum Rettungshelfer, die im Rahmen des Zivildienstes absolviert wird, stellt eine ausreichende erstmalige Berufsausbildung dar. Nach damaliger Rechtslage war für eine Berufsausbildung nicht erforderlich, dass sie in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz stattfand, dass sie eine zeitliche Mindestausbildungsdauer umfasste, dass sie bestimmte qualitative Anforderungen erfüllte oder mit einer Prüfung abschloss. Ferner war es unerheblich, ob eine Ausbildung während einer Zivildienstzeit absolviert wurde. Maßgeblich war allein, ob die Ausbildung dazu befähigte, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen (BFH 12.1.2023, VI R 41/20).
Zur neuen Rechtslage seit 2015 gibt es hingegen ein negatives Urteil
Der BFH hat hierzu entschieden, dass Aufwendungen für eine Berufsausbildung ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung gemäß § 9 Abs. 6 EStG 2015 nicht als Werbungskosten abzugsfähig sind, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat. Die langjährige Tätigkeit ersetzt also nicht eine „richtige“ Erstausbildung, und folglich sind die Kosten der Pilotenausbildung nur begrenzt als Sonderausgaben absetzbar (BFH 15.2.2023, VI R 22/21). Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein angehender Pilot zuvor lediglich ein 20-monatiges Praktikum absolviert und war dann mehrere Jahre gewerblich in der Veranstaltungsbranche u.a. als DJ und Verleiher professioneller Licht- und Tontechnik tätig. Das Finanzamt berücksichtigte die Kosten der Pilotenausbildung nur als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Und auch nach Auffassung des BFH hat der Kläger vor Beginn seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen, so dass ein Werbungskostenabzug ausschied.
Denkanstoß:
Letztlich bleibt wohl nur der Hinweis, dass in noch offenen Altfällen geprüft werden sollte, ob vor der Pilotenausbildung eine „Schnellausbildung“ stattgefunden hat. In neueren Fällen ist die Rechtsprechungstendenz hingegen eindeutig, das heißt § 9 Abs. 6 EStG ist wortgetreu anzuwenden. In der Vorschrift heißt es u.a: „Eine Berufsausbildung als Erstausbildung …. liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat.“
Natürlich gilt das in diesem Beitrag Gesagte nicht nur für Piloten. Auch andere Berufsgruppen „leiden“ unter der Gesetzgebung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe auch Blog-Beitrag „Kosten der Erstausbildung: Verfassungshüter entscheiden gegen Studenten und Piloten„).
Bevor ich es vergesse, möchte ich aber doch einen Gestaltungstipp geben: der zeitlich befristete Zuwendungsnießbrauch. Beachten Sie hierzu den Blog-Beitrag „Zuwendungsnießbrauch an Kinder: Ohne Mühe geht es nicht„, aber auch das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 21.3.2022 (16 K 4112/20; Rev. unter BFH IX R 8/22). In der Revision geht es um die Frage der steuerwirksamen Ausgestaltung eines zeitlich befristeten, unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs.