Es kommt nicht oft vor, dass sich das Bundessozialgericht mit Problemen des Umsatzsteuerrechts auseinandersetzen muss. Aktuell hat es sich jedoch mit der Frage befasst, ob Krankenkassen einen Anspruch auf Rückzahlung von Umsatzsteuern gegenüber Krankenhäusern haben, wenn sich eine – zunächst steuerpflichtige – Leistung als steuerfrei erweist und die Krankenhäuser ihre Voranmeldungen hätten berichtigen können. Das Urteil soll hier kurz vorgestellt werden, da es – über den Fall der Krankenhäuser hinaus – auch bei anderen Sachverhalten relevant werden könnte. Nach dem Urteil des BSG vom 9.4.2019 (BSG 9.4.2019, B 1 KR 5/19 R) gilt:
Haben Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbart, in Krankenhausapotheken an Versicherte abgegebene Arzneimittelzubereitungen mit Nettopreisen zuzüglich Umsatzsteuer zu vergüten, und zahlen die Krankenkassen Umsatzsteuer, deren Anmeldung die Krankenhäuser später aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung ohne Prozessrisiko korrigieren können, haben die Krankenkassen Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer. Sind die maßgeblichen Steueranmeldungen unanfechtbar geworden, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch.
In dem Fall ging es offenbar darum, dass es das Krankenhaus versäumt hat, seine Umsatzteuer-Voranmeldungen zu ändern, obwohl der BFH mit Urteil vom 24.9.2014 (BFH 24.9.2014, V R 19/11, BStBl 2016 II S. 781) entschieden hatte, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung steuerfrei ist, wenn die Zytostatika individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden. Die Finanzverwaltung hat das Urteil mit einer Änderung des Abschnitt 4.14.6 UStAE am 20.10.2016 akzeptiert.
Das BSG hat die beklagte Krankenhausträgerin folglich verurteilt, der klagenden Krankenkasse 1.319,36 Euro Umsatzsteuer zurückzuzahlen, auch wenn das Krankenhaus seinerseits auf der bereits entrichteten Umsatzsteuer „sitzen bleibt.“ Lediglich hinsichtlich eines Teils der Prozesszinsen hat es die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Klägerin steht der Rückzahlungsanspruch aus ergänzender Auslegung des Vertrags zu, soweit die Steueranmeldungen der Beklagten noch nicht formell bestandskräftig oder jedenfalls noch abänderbar waren.
Hätten die Vertragsparteien bedacht, dass die Steuerverwaltung auch mit Rückwirkung die Umsatzsteuerpflicht in der vorliegenden Fallgestaltung verneint, hätten sie vereinbart, dass den vertragschließenden Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer zusteht, wenn die Beklagte ihren Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt ohne Prozessrisiko durchsetzen kann.
Sind die maßgeblichen Steueranmeldungen nicht mehr abänderbar, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch. Die Beklagte wäre jedenfalls spätestens nach dem Urteil des BFH vom 24.9.2014 verpflichtet gewesen, im Vorgriff auf mögliche Reaktionen der Steuerverwaltung innerhalb der noch laufenden Festsetzungsfrist die Abänderung zu beantragen. Dies wäre ihr angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens zumutbar gewesen.
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