Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage, früher als Instandhaltungsrücklage oder Instandhaltungsrückstellung bezeichnet, dürfen vom jeweiligen Wohnungseigentümer erst dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Verwalter sie verausgabt hat. Wird die Erhaltungsrücklage ausnahmsweise für Maßnahmen verwendet, die zu Herstellungskosten führen, sind nur die entsprechenden Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten abziehbar.
Diese Grundsätze hat der BFH jüngst bestätigt. Mein Blogger-Kollege Professor Ralf Jahn hat das BFH-Urteil bereits in seinem Beitrag „Kein Steuerabzug von Zahlungen in Erhaltungsrücklage vor tatsächlicher Verwendung“ bereits vorgestellt. Von daher möchte ich hier nur ein paar weitere Gedankengänge meinerseits anführen.
Zunächst zum Grunderwerbsteuerrecht:
Zur Grunderwerbsteuer hat der BFH entschieden, dass der vereinbarte Kaufpreis für den Verkauf einer Eigentumswohnung als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gilt. Er darf nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage gemindert werden (BFH-Urteil vom 16.9.2020, II R 49/17). Für die Einkommensteuer indes hält der BFH eine andere Sichtweise für geboten. Das Grunderwerbsteuerrecht orientiere sich am Zivilrecht, beim Einkommensteuerrecht hingegen sei eine wirtschaftliche Sichtweise geboten. Eine deckungsgleiche Beurteilung vergleichbarer Vorgänge im Grunderwerbsteuerrecht und Einkommensteuerrecht sei nicht erforderlich.
Nun ja, das kann man auch anders sehen. Zwar ist im Ertragsteuerrecht eine wirtschaftliche Sichtweise durchaus üblich, doch eine zivilrechtliche Sichtweise ist ihm nicht fremd. Ich erinnere an die unzähligen Urteile, in denen Einkünfteübertragungen auf minderjährige Kinder nicht anerkannt worden sind, weil kein Ergänzungspfleger bestellt wurde und die Übertragungen daher zivilrechtlich (!) nicht wirksam zustande gekommen sind. Der BFH thematisiert dies aber im aktuellen Urteil nicht weiter.
Endgültiger Abfluss
Bei Verkauf einer Wohnung ist die Erhaltungsrücklage „endgültig“ verloren. Es handelt sich also um einen definitiven Abfluss. Der BFH weist darauf hin, dass ein Verkäufer die Rücklage aber über den Kaufpreis quasi dann doch wieder mitvergütet erhalte. Doch er bleibt Beweise dafür schuldig. Im Übrigen vermengt der BFH hier die Vermögenssphäre mit der Einkünftesphäre. Mir erschließt sich das jedenfalls nicht. Mit einer solchen Begründung könnte ja nahezu jeglicher Werbungskostenabzug gestrichen werden, denn Erhaltungsaufwendungen dienen dazu, Schäden zu reparieren oder den Zustand einer Immobilie zu verbessern. Ein potenzieller Verkäufer würde dies natürlich honorieren. Das ist aber kein Grund, einen Werbungskostenabzug zu versagen.
Möglicher Gestaltungsmissbrauch
Ein zeitlich nachgelagerter Werbungskostenabzug vermeide mögliche steuerliche Gestaltungen – gerade bei Wohnungseigentümergemeinschaften mit geringer Mitgliederanzahl – durch nicht notwendig hohe Zuführungen zur Erhaltungsrücklage – so der BFH. Auch diese Begründung erschließt sich mir nicht. Es gibt 1.000 Sachverhalte und Tatbestände, bei denen Gestaltungen denkbar sind. Soll man deshalb eine Norm nicht anwenden dürfen? Für mich jedenfalls ist das ein seltsames Argument.
Fazit
Man mag dem BFH in der Sache zustimmen. Und in der Tat wäre es seltsam, wenn bereits reine Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage zum sofortigen Werbungskostenabzug berechtigen würden. Doch ich finde die Begründung des BFH nicht ausreichend. Vor allem aber erschließt es sich mir nicht, dass ein Werbungskostenabzug verweigert wird, wenn die Erhaltungsrücklage bzw. die Einzahlung in diese bei einem Verkauf der Wohnung „endgültig verloren“, also „endgültig abgeflossen“ ist.