Erbschaftsteuerliche Begünstigungen: Auch eine lang andauernde Erbauseinandersetzung ist unschädlich

§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sieht für die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Größe eine erbschaftsteuerliche Befreiung vor. Wichtig für die Steuerbegünstigung: Das Familienheim muss „unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein“. Und „unverzüglich“ bedeutet „Einzug innerhalb von sechs Monaten“. So zumindest der Grundsatz. Maßgebend ist das BFH-Urteil vom 28.5.2019 (II R 37/16).

Ein späterer Einzug oder eine spätere Erbauseinandersetzung führen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb des Familienheims. Der Erbe muss dann aber glaubhaft darlegen, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat, beispielsweise im Fall einer dringend notwendigen Renovierung.

Die Steuerbefreiung für ein Familienheim kann im Übrigen nur der Eigentümer beanspruchen, der die Wohnung selbst nutzt, nicht aber ein (Mit-)Eigentümer, der dort nicht wohnt. Allerdings kann die Steuerbefreiung von dem einen Miterben auf einen anderen Miterben übergehen, wenn eine Erbauseinandersetzung erfolgt. Das ist der so genannte Begünstigungstransfer (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG). Nach dem Willen der Finanzverwaltung muss eine Erbauseinandersetzung aber alsbald nach der Erbschaft erfolgen, damit der Wohnungsnutzer möglichst das Alleineigentum erhält. Und weil eine Zeitspanne von maximal sechs Monaten – aus welchen Gründen auch immer – griffig erscheint, soll die Erbauseinandersetzung ebenfalls innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein (H E 13a.11 der ErbStR).

Gerade komplexe Erbauseinandersetzungen können sich jedoch über mehrere Jahre hinziehen. Und daher hat der BFH nun erfreulicherweise entschieden, dass auch ein Zeitraum von weit mehr als sechs Monaten bis zur Erbauseinandersetzung unschädlich sein kann (BFH-Urteil vom 15.5.2024, II R 12/21).

Der Sachverhalt

Etwas vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt: Der Kläger und sein Bruder sind zu je 1/2 Erben ihrer im Jahr 2015 verstorbenen Eltern. Zum Nachlass gehörte auch das Familienheim. Zum Zwecke der Erbauseinandersetzung trafen die Brüder erst im Jahr 2018 eine Vereinbarung, da sich diese aufgrund weiteren Vermögens als recht komplex erwies. Unter anderem erhielt der Kläger von seinem Bruder dessen hälftigen Eigentumsanteil an dem Familienheim.

Da der Kläger die andere Hälfte des Familienheims selbst geerbt hatte, wurde er somit Alleineigentümer der Immobilie. Er wohnte bereits in dem Familienheim und beantragte beim Finanzamt die volle – und nicht nur die hälftige – erbschaftsteuerliche Befreiung für das Familienheim. Das Finanzamt lehnte dies ab. Eine Erbauseinandersetzung könne steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zeitnah – also innerhalb von sechs Monaten – nach dem Erbfall erfolge. Hier seien zwischen dem Erbfall und der Erbauseinandersetzung jedoch mehr als zwei Jahre vergangen. Folglich könne die Steuerbefreiung nur für den unmittelbar geerbten Anteil des Klägers, nicht jedoch für den vom Bruder übertragenen Anteil gewährt werden. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz nun bestätigt.

Die Begründung in aller Kürze:

Nutzt der erwerbende Miterbe die vormals vom Erblasser genutzte Wohnung innerhalb angemessener Zeit für eigene Wohnzwecke, ist der Begünstigungstransfer nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG unabhängig davon zu gewähren, ob die Erbauseinandersetzung zeitnah zum Erbfall erfolgt. Eine zeitliche Nähe zum Erbfall ist für die Teilung des Nachlasses nicht vorgeschrieben. Deshalb kann bei einer Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften eine Begünstigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG auch zu gewähren sein, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall geschlossen wird.

Denkanstoß:

Das Urteil des BFH ist zu begrüßen. Ich hatte im Rahmen dieses Blogs schon mehrfach kritisiert, dass Tatbestandsmerkmale – wie hier eine vermeintliche Sechs-Monats-Frist – gerne „erfunden“ werden, um ein fiskalisch gewünschtes Ergebnis zu rechtfertigen. Gut also, dass der BFH genau ins Gesetz geschaut und der Sechs-Monats-Frist eine Absage erteilt hat. Diese ist bei komplexen Erbauseinandersetzungen ohnehin viel zu kurz gegriffen.

Wichtig war im Urteilsfall übrigens, dass eine entsprechende Zuordnung unter den Erben von Anfang an beabsichtigt war. Damit bestand ein enger Zusammenhang der Zuordnung der Wohnung mit der Teilung des Nachlasses. Hätte die Erbengemeinschaft den Nachlass hingegen zunächst willentlich ungeteilt belassen, und würde der Entschluss, den Nachlass zu teilen, auf einer neuen Willensbildung beruhen, wäre die Übertragung nicht begünstigt gewesen.

Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass das Urteil wesentlich mehr Aspekte enthält als sie in diesem kurzen Blog-Beitrag wiedergegeben wurden. So ging es in dem Fall auch um den Begünstigungstransfer bei vermieteten Immobilien und bei Betriebsvermögen. Interessierte sollten das Urteil insofern aufmerksam studieren.

 

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