Alleinerziehende haben Anspruch auf einen steuerlichen Entlastungsbetrag, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das sie Kindergeld oder den steuerlichen Kinderfreibetrag erhalten, und ansonsten im Haushalt keine andere volljährige Person lebt (§ 24b EStG). Nun kann es aber mitunter geschehen, dass fraglich ist, ob tatsächlich eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bestanden hat.
Und genau für diese Fälle hat der BFH eine interessante Entscheidung gefällt: Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes hat das Gericht bei Streit über das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 24b Abs. 3 Satz 2 EStG unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag die andere volljährige Person, mit der die Haushaltsgemeinschaft bestehen könnte, als Zeugen zu vernehmen (BFH-Beschluss vom 14.1.2025, X B 72/23). Das bedeutet, dass es sich die Gerichte – und natürlich auch die Finanzämter – bei einem Streit über das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft nicht zu leicht machen dürfen.
Der Sachverhalt:
Die Steuerpflichtige erklärte, dass sie mit ihren beiden Kindern allein gelebt habe. Der Vater der Kinder hatte sich jedoch in einem Steuerstrafverfahren als verlobt bezeichnet. Das Finanzamt ging daher ohne weitere Nachforschungen davon aus, dass die Eltern zusammenlebten. Das FG akzeptierte dies und verzichtete auf eine Beweisaufnahme. Der BFH hat darin jetzt einen Verfahrensfehler gesehen und insoweit die Vorentscheidung aufgehoben. Die Sache wurde an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Begründung:
Das FG hat nicht in ausreichendem Umfang ermittelt, ob die Klägerin und ihr – vermeintlicher – Verlobter in den Streitjahren in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt haben und der Klägerin deshalb ein Entlastungsbetrag gemäß § 24b EStG zu gewähren ist. Das FG hätte den „Verlobten“ als Zeugen hierzu von Amts wegen hören müssen. Da das Gericht dies unterließ, hat es den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen. Aufgrund der Behauptungen der Klägerin, der Mann habe sich lediglich aus taktischen Gründen in einem ihn betreffenden Steuerstrafverfahren als ihr Verlobter bezeichnet, hätte das Gericht die näheren Umstände des Zusammenlebens in den einzelnen Streitjahren aufklären, zumal auch Verlobte nicht zwingend eine Haushaltsgemeinschaft bilden.
Denkanstoß:
Die obigen Ausführungen zur Ermittlungspflicht gelten sinngemäß, wenn streitig ist, ob die Voraussetzungen einer Ehegattenveranlagung vorliegen. Das FG bzw. im Vorfeld das Finanzamt müssen den entscheidungserheblichen Sachverhalt von sich aus vollständig aufklären (so bereits BFH-Urteil vom 18.7.1996, III R 90/95).
Um Missverständnisse zu vermeiden: Von dem Grundsatz, dass im Haushalt keine andere erwachsene Person leben darf, gibt es Ausnahmen: So ist es unschädlich, wenn es sich bei der anderen volljährigen Person um ein leibliches Kind, Adoptiv-, Pflege-, Stief- oder Enkelkind handelt, für das dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht. Aus Billigkeitsgründen führt auch die Unterbringung von volljährigen Flüchtlingen aus der Ukraine durch Alleinerziehende in den Jahren 2022 und 2023 nicht zu einer steuerschädlichen Haushaltsgemeinschaft (vgl. Fragen und Antworten zu den steuerlichen Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten – https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-ukraine-steuern.html)). Ob diese Billigkeitsregelung auch in 2024 gilt, bleibt abzuwarten. Es ist aber sehr wahrscheinlich.