Die letzten Monate zeigen, dass es rund um die Energiepreispauschale für Erwerbstätige (EPP I) immer mehr Fragen gibt. Viele dieser Fragen hat der Gesetzgeber deshalb zu verantworten, weil er der Energiepreispauschale eine sehr seltsame Rolle zugewiesen hat: So liegt – bei Arbeitnehmern – zu besteuernder Arbeitslohn vor, obwohl keine Leistung an den jeweiligen Arbeitgeber erbracht wurde. Anders herum: Der Arbeitgeber musste die Energiepreispauschale quasi „wie Arbeitslohn“ auszahlen, obwohl er lediglich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt hat und durch den Gesetzgeber als auszahlende Stelle in Anspruch genommen wurde. Salopp gesagt: Die Energiepreispauschale war aus rein rechtlicher Sicht nichts Halbes und nichts Ganzes.
Nunmehr musste sich das Arbeitsgericht Lübeck mit der Frage befassen, welches Gericht zuständig ist, wenn sich ein Arbeitgeber trotz der gesetzlichen Regelung geweigert hat, die Energiepreispauschale an seine Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Antwort lautet: Wer sich mit seinem Arbeitgeber über die Auszahlung der Energiepreispauschale streitet, muss dies vor dem Finanzgericht tun (Beschluss vom 1.12.2022, 1 Ca 1849/22).
Die Arbeitsgerichte seien allein für bürgerlich-rechtliche und nicht für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig. Der Anspruch auf Zahlung der Energiepreispauschale beruhe auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis. Die Energiepauschale knüpfe zwar an ein Arbeitsverhältnis an, ihre rechtliche Grundlage finde sich jedoch nicht in der Arbeitsvertragsbeziehung. Der Arbeitgeber erfülle durch die Auszahlung der Energiepauschale weder eine arbeitsvertragliche Leistungspflicht noch eine ihm selbst durch den Gesetzgeber auferlegte Zahlungspflicht. Er fungiere allein als Zahlstelle. Er habe die Zahlung der Energiepauschalen nicht aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten sei eröffnet (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit. Aus § 120 Abs. 1 EStG folge, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Energiepauschale entsprechend den für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung behandelt wissen will.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ist Beschwerde eingelegt worden (Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 28.12.2022).
Denkanstoß:
Ich habe mich gefragt, warum es zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen ist, denn zunächst war ich überzeugt, der Arbeitnehmer kann die EPP I doch einfach mit seiner Einkommensteuererklärung 2022 beantragen. Und in diesem Sinne interpretiere ich auch § 115 EStG.
Nachdem ich die Einkommensteuervordrucke für das Jahr 2022 studiert habe, bin ich mir allerdings nicht mehr zu 100 Prozent sicher. Zwar heißt in der amtlichen Anleitung zur „Anlage Sonstiges“: „Haben Sie bislang keine Energiepreispauschale erhalten, wird die Auszahlung durch den Einkommensteuerbescheid Ihres Finanzamts nachgeholt.“ Abgefragt werden im Vordruck selbst aber nur die Fälle „kurzfristiges oder geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (Minijob) sowie Aushilfstätigkeit der Land- und Forstwirtschaft“, also Fälle mit pauschal besteuertem Arbeitslohn.
Wie ist Ihre Auffassung?
Ist ein Arbeitnehmer, der bislang „leer ausgegangen ist“, obwohl er einen Anspruch auf Auszahlung gegenüber seinem Arbeitgeber hatte, sozusagen gezwungen, Klage zu erheben? Oder kann er sich die EPP I über die Steuererklärung auszahlen lassen? Immer vorausgesetzt natürlich, dass er tatsächlich anspruchsberechtigt ist.
Moin,
ohne nochmal in das Gesetz etc. geschaut zu haben:
Bei Kleinbetrieben, die jährlich Lohnsteuervoranmeldungen abzugeben haben, besteht keine Verpflichtung die EPP an die AN auszuzahlen. Auch nicht an „normal“ über Steuerkarte Beschäftigte. Hier muss es doch eine Regelung über die Steuererklärung geben.
Die Auszahlung erfolgt für Arbeitnehmer, die die EPP nicht vom Arbeitgeber erhalten haben, über die ESt 2022.
Für Arbeitnehmer mit „normalem“ Lohnsteuerabzug ist auf der Lohnbescheinigung ein Großbuchstabe E vorhanden, wenn ausgezahlt wurde. Daher liegen hier alle Infos dem Finanzamt vor und in den Vordrucken ist keine Abfrage dazu nötig.
Nur für Minijobber hat das Finanzamt mangels Lohndatenübermittlung die Infos nicht und eine Abfrage im Vordruck ist erforderlich.
Das stimmt so nicht! Wenn ein AN am 01.09.2022 in einem Dienstverhältnis war, ist der AG verpflichtet, die EPP auszuzahlen. Das Finanzamt sieht sich in diesem Fall nicht verpflichtet, stellvertretend für den AG einzuspringen. In meinem Fall habe ich eine Anstellung zum 01.09. angenommen. Da der AG den Lohn für September, und somit auch die EPP, an alle anderen Mitarbeiter bereits ausgezahlt wurde, hat man sich anschließend geweigert, mir die Pauschale nachträglich auszuzahlen. Ich denk, dass hat etwas mit den Steuervorauszahlungen des AG zu tun, eine Korrektur ist zwar möglich, aber nicht erwünscht. Also schreibe ich bei der nächsten Steuererklärung einen kleinen Text dazu. Darauf werde ich bestimmt eine Antwort bekommen, falls diese negativ ausfällt, habe ich wenigstens etwas, das ich beim AG vorlegen kann. In der Probezeit sieht man wohl eher von einer Klage ab …