Im vergangenen Jahr musste sich das Arbeitsgericht Lübeck mit der Frage befassen, welches Gericht zuständig ist, wenn sich ein Arbeitgeber trotz der gesetzlichen Regelung geweigert hat, die Energiepreispauschale für Erwerbstätige (EPP I) an seine Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Antwort lautete: Wer sich mit seinem Arbeitgeber über die Auszahlung der Energiepreispauschale streitet, muss dies vor dem Finanzgericht tun (Beschluss vom 1.12.2022, 1 Ca 1849/22).
Die Arbeitsgerichte seien allein für bürgerlich-rechtliche und nicht für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig. Der Anspruch auf Zahlung der Energiepreispauschale beruhe auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis. Die Energiepauschale knüpfe zwar an ein Arbeitsverhältnis an, ihre rechtliche Grundlage finde sich jedoch nicht in der Arbeitsvertragsbeziehung. Der Arbeitgeber erfülle durch die Auszahlung der Energiepauschale weder eine arbeitsvertragliche Leistungspflicht noch eine ihm selbst durch den Gesetzgeber auferlegte Zahlungspflicht. Er fungiere allein als Zahlstelle. Er habe die Zahlung der Energiepauschalen nicht aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten sei eröffnet (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit. Aus § 120 Abs. 1 EStG folge, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Energiepauschale entsprechend den für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung behandelt wissen will. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ist Beschwerde eingelegt worden (Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 28.12.2022). Mir ist allerdings nicht bekannt, ob über diese bereits entschieden worden ist.
Wie dem auch sei: Nun war das FG Münster an der Reihe. Seine Entscheidung lautet: Für Klagen betreffend die für 2022 auszuzahlende Energiepreispauschale sind die Finanzgerichte zuständig. Allerdings muss das Finanzamt und nicht der Arbeitgeber verklagt werden (FG Münster, Beschluss vom 5.9.2023, 11 K 1588/23 Kg).
Der Antragsteller hatte seinen Arbeitgeber beim FG Münster auf Auszahlung der Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro verklagt und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Das FG hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe aber abgelehnt. Dabei hat es zunächst ausgeführt, dass – jedenfalls für noch nicht ausgezahlte Energiepreispauschalen – der Rechtsweg zu den Finanzgerichten und nicht der Arbeitsrechtsweg eröffnet sei. Obwohl der Antragsteller eine andere Person auf Zahlung verklagt habe, liege eine abgabenrechtliche Streitigkeit vor, da für die Auszahlung der Energiepreispauschale nach § 120 Abs. 1 EStG die Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden seien.
Allerdings sei die Klage unzulässig. Für eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers bestehe kein Rechtsschutzinteresse, weil er nicht Schuldner der Energiepreispauschale sei. Mit der Auszahlung dieser Pauschale erfüllten Arbeitgeber keine Lohnansprüche ihrer Arbeitnehmer, sondern fungierten als Zahlstelle des Staates. Bei der Energiepreispauschale handele es sich um eine Steuervergütung, die gegenüber dem Finanzamt durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend zu machen sei. Eine Umdeutung des Klagebegehrens dahingehend, dass das Finanzamt Beklagter sein soll, sei angesichts der eindeutigen Bezeichnung des Arbeitgebers nicht möglich. Eine solche Klage wäre auch mangels Durchführung eines Vorverfahrens nicht zulässig (Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 2.10.2023).
Denkanstoß:
Die Streitigkeiten um das „richtige“ Gericht und den „richtigen“ Antragsgegner zeigen einmal mehr, wie schwierig die „richtige“ Einordnung der Energiepreispauschale ins rechtliche Geschehen ist. Von Interesse ist übrigens folgender Satz aus der Urteilsbegründung: „Auch wenn es sich bei der EPP materiell um eine Sozialleistung mit Subventionscharakter handelt, ist sie damit – zumindest rechtstechnisch – als eine Steuervergütung ausgestaltet.“
Dieser Satz spricht meines Erachtens dafür, dass die Energiepreispauschale – entgegen der gesetzlichen Regelung – nicht besteuert werden darf, denn eindeutig wird sie keiner Einkunftsart zugeordnet. Doch das ist ein anderes Thema, mit dem sich gleichfalls das FG Münster befassen muss, und zwar in dem Verfahren 14 K 1425/23 E.