„Leg muss Wohnungsbestand abwerten.“ – „Vonovia schreibt rote Zahlen und verkauft Immobilien.“ – „Schuldenschnitt soll Corestate retten.“
Schlagzeilen wie diese liest man nun immer häufiger. Ist dies überraschend? Absolut nicht. Die Immobilienparty ist nun zu Ende. Das wollte lange Zeit niemand hören, denn schließlich haben viele an den immer weiter steigenden Preisen kräftig mitverdient. Die drastische Zinswende sorgt nunmehr dafür, dass immer mehr über sinkende Immobilienpreise berichtet wird. Schockstarre, Erdbeben – diese Begriffe habe ich in den letzten Wochen in Gesprächen, u.a. auch mit Vorständen börsennotierter Immobilienkonzerne immer häufiger gehört.
Wie ist es soweit gekommen? Welche Risiken drohen uns? Schauen wir uns diese Fragen etwas genauer an.
Aufgeblähte Gewinne in den letzten Jahren
Lange Zeit kannten Immobilienpreise nur einen Weg: Steil nach oben. Das zeigte sich auch deutlich in den IFRS-Bilanzen zahlreicher Immobilienkonzerne. Sprudelnde Gewinne. Nur der Cashflow wollte nicht so richtig mitfeiern. Kein Wunder, denn die Wertsteigerungen nach IFRS erhöhen zwar den Gewinn ganz kräftig, sie führen aber keineswegs zu einer sprudelnden Liquidität. Denn erst wenn die Immobilien auch zu diesen hohen Buchwerten in der Bilanz veräußert werden, ist der Gewinn realisiert.
Ich beobachte den Immobilienmarkt schon sehr lange. Und bei so manchem Preis habe ich mich gefragt: Und das bezahlt jemand? Das ist doch viel zu teuer. Ich wurde nicht nur einmal eines Besseren belehrt und stellte fest: Ja, das bezahlt jemand. Und Geld war lange Zeit sehr billig zu haben, das hat die hohen Preise sicherlich noch befeuert. Das eine anstehende Prolongation eines Darlehens in der Zukunft vermutlich nur mit deutlich höheren Zinsen erfolgen wird, das haben viele verdrängt.
Doch der Wind hat sich inzwischen sehr schnell gedreht: Die Zinswende ist im letzten Jahr dynamischer und schneller gekommen als gedacht. Neubauprojekte leiden darüber hinaus noch unter teilweise explosionsartige gestiegenen Rohstoffpreisen, was die Kosten weiter in die Höhe getrieben hat.
Ein genauerer Blick in die IFRS-Abschlüsse von Immobilienkonzernen hat jedoch schon lange gezeigt: Hohe Gewinne wurden nicht mit dem Vermietungsgeschäft erzielt. Entscheidend waren die Wertsteigerungen der Immobilien. Allein eine Stagnation der Immobilienpreise hätte also schon dazu geführt, dass einige Immobilienriesen keine bzw. nur sehr geringe ausgewiesen hätten. Doch jetzt kommt es noch schlimmer: Die Preise sinken.
Erdbeben am Immobilienmarkt – die größten Risiken
Nun ist es da: Das Ende der Immobilienparty. Manche sprechen auch von einem Erdbeben, das die Branche derzeit sehr stark durcheinanderwirbelt. Hohe Schulden und sinkende Preise – das macht derzeit einigen Immobilienriesen Probleme. Und damit ist nicht nur die Causa Adler gemeint, über den ich auch regelmäßig berichte.
Warum haben nun die Immobilienkonzerne plötzlich hohe Verluste in ihren Büchern? Nach IFRS können Wertsteigerungen sofort als Gewinn ausgewiesen werden. Dabei wird der aktuelle Verkehrswert der Immobilie zugrunde gelegt. Um diesen zu berechnen wird der aktuelle Diskontierungssatz zugrunde gelegt. Dieser kennt wie in der Vergangenheit die Immobilien derzeit nur einen Weg: Steil nach oben. Ein höherer Diskontierungszinssatz bedeutet daher einen geringeren Barwert der Immobilien. Alleine dadurch kann es also zu sinkenden Wertansätzen der Immobilien in den Bilanzen kommen.
Da viele Konzerne einen riesigen Schuldenberg aufgebaut haben und die Prolongation nun deutlich teurer ist, brauchen einige doch etwas mehr Kleingeld als sonst. Schulden abbauen kann auch mit dem Verkauf von Immobilien gelingen. Stimmt. Allerdings ist die Frage, ob die Immobilien zum Buchwert veräußert werden können.
Derzeit wollen viele Immobilienkonzerne Immobilien veräußern. Die Notwendigkeit eines Verlaufs erleichtert nicht unbedingt den Verhandlungsspielraum. Wie sich bereits zeigt, musste beispielsweise auch Vonovia schon ein Immobilienpaket unterhalb des Buchwertes veräußern. Oder anders ausgedrückt: Die als Gewinn ausgewiesene Wertsteigerung der Vergangenheit hat sich nun nicht im Geldbeutel gezeigt. Die Immobilie war demnach überbewertet.
Steigende Zinsen, sinkende Immobilienpreise – die Risiken sind insbesondere bei hoher Verschuldung immens. Ganz abgesehen davon standen meines Erachtens viele Immobilienkonzerne in den letzten Jahren nicht sehr solide da. Das rächt sich nun jetzt besonders. Wie auch zu Pandemiebeginn zeigt sich hier: So manche dargestellten Risiken im Geschäftsbericht treten nun gleichzeitig ein und treffen einige Konzerne mit voller Wucht.
Bedauerlich, dass es immer erst einen Knall braucht, um gehört zu werden. Das erinnert ein bisschen an den Fall Wirecard, der auch so manch einen wachgerüttelt hat.