Die seit 1.1.2017 teilweise neu gestalteten Vordrucke für die elektronischen Umsatzsteuer-Voranmeldungen (UStVA) werfen für Unternehmer neue Fragen auf. So ist bisher ungeklärt, ob und in welchem Umfang sich neue Pflichten aus diesen Vordrucken ergeben (vgl. im Einzelnen Beyer, DB 2017, S. 2197). Hier soll auf die Möglichkeit eingegangen werden, abweichende Rechtsauffassungen im Freitextfeld (Kennzahl 23 des Vordrucks für die UStVA) darzulegen.
Die Finanzverwaltung ging schon bisher davon aus, dass die Pflicht bestehe, abweichende Rechtsansichten offenzulegen, wenn diese der eigenen Steuererklärung zugrunde gelegt wurden. Unternehmer mussten daher im Einzelfall mit (berechtigten oder unberechtigten) strafrechtlichen Vorwürfen rechnen, wenn sie in Ihrer Erklärung von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung abweichen und dies nicht kenntlich machen. Ein solcher Vorwurf ist so generell selbstverständlich unzutreffend und Strafrichter teilen die Ansicht der Finanzverwaltung zur Offenlegung nicht immer. Allerdings ist nicht abschließend geklärt, in welchen Fällen das Verschweigen von abweichenden Rechtsansichten den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt (§ 370 AO). Unternehmer sollten dieses strafrechtliche Risiko sehen und zumindest kennen.
Eine besonders strenge Linie verfolgte der der BGH in seinem Urteil vom 19.12.1990, wo er weitgehende Erklärungspflichten angenommen hat. Er vertrat dort die die Ansicht, dass die Pflicht bestehe, sämtliche Tatsachen offenzulegen, die steuerrechtlich erheblich sein könnten (BGH vom 19.12.1990 – 3 StR 90/90, BGHSt 37, S. 266). Dies bedeutet: Wenn ein Unternehmer strafrechtlich keinen Angriffspunkt bieten möchte, sollte im Freitextfeld (Kennzahl 23) durch einen Hinweis vorsorglich offen dargelegt werden, dass eine andere Rechtsansicht als diejenige der Finanzverwaltung vertreten wird. Allerdings ist selbstverständlich nicht jedes interne Papier der Finanzverwaltung eine beachtliche Rechtsabsicht. Rechtsansichten der Finanzverwaltung im vorgenannten Sinne sind nur solche, die veröffentlicht worden sind (z.B. im Bundessteuerblatt). Bloße interne Notizen über eine Behördenbesprechung können nicht genügen.
Problematisch ist jedoch, wenn die Kennzahl 23 in den UStVA nur halbherzig genutzt wird. Hier könnte sich der Unternehmer dem Verdacht aussetzen, er wollte trickreich „lavieren“ und sich nur für den Fall des Vorwurfs vorsorglich rüsten. Beispiel: Unternehmer U aktiviert zwar die Kennzahl 23 (durch Eintragung einer „1“), macht dort allerdings keine oder keine hinreichenden Angaben zu dem steuerlich zweifelhaften Sachverhalt und seiner zugrunde gelegten abweichenden Rechtsansicht. Sein Plan ist, dass er gegenüber einem etwaigen strafrechtlichen Vorwurf einwenden werde, dass das Finanzamt Rückfragen hätte stellen könne. Wenn es sich bei der abweichenden Rechtsansicht um eine in Rechtsprechung oder gewichtiger Literatur vertretene Ansicht handelt, dürfte in vielen Fällen der Vorsatz fehlen. Der Unternehmer kann sich jedoch nicht darauf verlassen, dass ein Staatsanwalt oder Strafrichter dies auch so sieht. Wenn der Unternehmer gegenüber dem Tatvorwurf geltend macht, dass er mit Rückfragen bzw. Ermittlungen des FA aufgrund der Aktivierung der Kennzahl 23 rechnete, so wird dies möglicherweise als Schutzbehauptung gewertet. Nur eine hinreichende Erläuterung der eigenen Rechtsansicht und Darlegung des Sachverhalts schafft die nötige Transparenz, um einen strafrechtlichen Vorwurf zu vermeiden.
Zu beachten ist auch, dass für die Frage nach einer Täterschaft nicht allein maßgebend ist, wer „auf den Knopf drückt“ (vgl. Beyer, NWB 2016, S. 1508). Wenn der Steuerberater die Erklärung elektronisch absendet und hierzu „auf die Taste“ drückt, so ist der Steuerberater (selbst wenn er vorsätzlich handeln würde) nicht automatisch Täter. Nach der Rollenverteilung dürfte der Mandant bei wertender Betrachtung Täter sein (wobei auch ihm der Vorsatz im Einzelfall nachgewiesen werden muss). In der Praxis lautet der Vorwurf gegen einen Steuerberater – wenn er im Einzelfall vorsätzlich handelt – eher auf Beihilfe und nicht Täterschaft.
Weitere Informationen:
Beyer, Abgabe elektronischer Steuererklärungen – Wen trifft die strafrechtliche Verantwortung? – Herausforderungen für Steuerpflichtige und Unternehmen, NWB 20/2016 S. 1508
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