In jüngster Zeit mehren sich die Fälle vor den Finanzgerichten, in denen es um die Frage geht, ob Zahlungen aus öffentlichen Kassen, die im weitesten Sinne mit der Jugendförderung zusammenhängen, nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind. Die Krux liegt darin, dass die Steuerpflichtigen die Wörter „Bezüge aus öffentlichen Mitteln“ als entscheidend ansehen, während die Finanzämter – und auch die Finanzgerichte – eher das Wort „Beihilfe“ für entscheidend halten.
Anders ausgedrückt: Zahlungen, die über reine Beihilfen hinausgehen, sollen steuerpflichtig und allenfalls nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt sein. Zudem werden die weiteren Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Ausschließlichkeit gewertet. So hat das FG Münster kürzlich entschieden, dass Zahlungen von Jugendämtern an eine Tagesmutter nicht ausschließlich für Zwecke der Erziehung bestimmt und damit nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind (FG Münster vom 10.10.2019, 6 K 3334/17 E).
Jüngst hatte sich auch das Niedersächsische FG mit dem Problemkreis zu befassen und entschieden, dass Zahlungen eines Landkreises an eine Sozialpädagogin für die sozialpädagogische nachmittägliche Betreuung nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11 EStG fallen. Die Geldleistungen des Landkreises seien nicht als uneigennützig gewährte Unterstützungszahlungen anzusehen und damit zu versteuern (Urteil vom 14.4.2020, 9 K 21/19).
Der Sachverhalt
Die Klägerin, eine Sozialpädagogin, hatte im Rahmen einer Nebentätigkeit für den Landkreis Aufgaben im Rahmen einer sozialpädagogischen nachmittäglichen Betreuung in einer Familie übernommen. Zum Aufgabenbereich gehörten u.a. die Beratung und Unterstützung der Eltern in Erziehungsfragen, die unterstützende Begleitung bei Kontakten zu Behörden, Schulen u.Ä., das Heranführen an Möglichkeiten aktiver Freizeitgestaltung und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei der Erledigung der Hausaufgaben. Die Honorartätigkeit umfasste im Monat 35 Zeitstunden. Das Honorar betrug 16 EUR pro Stunde. Ferner gewährte der Landkreis eine monatliche Sachkostenpauschale. Das Finanzamt erfasste die Einnahmen als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und berücksichtigte einen Freibetrag von 2.400 EUR gemäß § 3 Nr. 26 EStG. Vergeblich begehrte die Klägerin dagegen eine vollständige Freistellung der Honorare. Das Finanzgericht wies die Klage ab.
Die Begründung des FG
Zwar handelte es sich um öffentliche Mittel im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG. Es bestünden jedoch erhebliche Zweifel, ob die an die Klägerin gezahlten Gelder ausschließlich und unmittelbar dazu bestimmt sind, die Erziehung zu fördern, denn die Klägerin hatte die Familie als Ganzes in verschiedenen Lebensbereichen zu betreuen (Einordnung als flexible Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 2 SGB VII). Diese Frage konnten die Richter jedoch offenlassen, weil von der Befreiungsvorschrift nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen erfasst werden und diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt war. Die Leistungen sollten vielmehr den zeitlichen und sachlichen Aufwand der Betreuungsperson vollständig durch Stundensätze und monatliche Sachkostenpauschalen abgelten. Im Ergebnis wertete das Gericht die Zahlungen des Landkreises daher als Entgelt für die vertraglich vereinbarte Betreuungsleistung.
Hinweis:
In ähnlicher Weise hatte – neben dem FG Münster – bereits das FG Baden-Württemberg entschieden. Hier ging es um Zahlungen eines Jugendwerks an eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin für die besonders intensive Betreuung sowie Erziehung von Jugendlichen. Die Zahlungen lagen der Höhe nach deutlich über einem Durchschnittsverdienst und wurden daher nicht als „Beihilfe” nach § 3 Nr. 11 EStG gewertet (Urteil vom 26.3.2019, 11 K 3207/17). Gegen das Urteil liegt aber zwischenzeitlich die Revision vor, so dass entsprechende Fälle offengehalten werden sollten, bis der BFH entschieden hat (Az. des BFH: VIII R 13/19). Auch im aktuellen Fall wurde im Übrigen die Revision zugelassen. Ganz unabhängig davon sollte geprüft werden, ob zumindest die Übungsleiterpauschale gemäß § 3 Nr. 26 EStG in Höhe von 2.400 EUR in Anspruch genommen werden kann.
Weitere Informationen:
Völlig absurd wird es in diesem Zusammenhang, wenn man sich erinnert, dass das BMF den steuerfreien Corona Zuschuß unter § 3 Nr. 11 EStG subsumieren wollte.