Bereits in vorlaufenden Blogs hatte ich mich mit Fragen der neuen Leasingbilanzierung nach IFRS 16 befasst. Zur Erinnerung: Der Leasingnehmer entscheidet nach den neuen Regelungen nicht mehr, ob er wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjekts ist. Stattdessen bilanziert er in der Regel ein Nutzungsrecht („right-of-use“) am Leasingobjekt im Umfang seiner vertraglichen Ansprüche. Bilanzierungsobjekt ist nicht das Leasingobjekt, sondern das Recht zur Nutzung des Leasingobjekts. Die Serie zu IFRS 16 in lockerer Folge will ich heute mit der Frage fortsetzen, ob bestimmte vertragliche Vereinbarungen als eingebettete Derivate i.S. von IFRS 9 einer vom Leasingvertrag getrennten Bilanzierung unterliegen können.
Sind in Leasingverträge Derivate eingebettet, greifen in Abwesenheit spezifischer Regelungen des IFRS 16 die Regelungen des IFRS 9 (IFRS 16.BC81). Da IFRS 16 eigenständige Regelungen für Kauf-, Verlängerungs- und Kündigungsoptionen sowie für Restwertgarantien enthält, fallen diese nicht unter die Regelungen des IFRS 9. Die Optionen und Restwertgarantien erfüllen regelmäßig schon nicht die Anforderungen an ein Derivat.
Nach IFRS 9 sind in andere Verträge eingebettete Derivate durch Zerlegung des hybriden Vertrags zwingend gesondert zu bilanzieren, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (IFRS 9.4.3.3):
- Das Derivat ist in mit einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Vertrag über die Lieferung nicht finanzieller Werte, hier Leasingvertrag, verbunden, so dass die Zahlungsströme des hybriden Instruments zum Teil vergleichbaren Schwankungen unterliegen wie ein alleinstehendes Derivat.
- Die wirtschaftlichen Merkmale und Risiken des eingebetteten Derivats stehen in keinem engen Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des Basisvertrags.
- Ein separates Instrument mit den gleichen Bedingungen wie das eingebettete Derivat würde die Definition eines Derivats erfüllen.
- Das hybride Instrument wird nicht GuV-wirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet.
Sofern ein Leasingvertrag die Anpassung der Leasingraten gemäß einer Indexentwicklung vorsieht, stellt sich die Frage der Trennungspflicht. Hier sieht IFRS 9.B4.3.8 (f) jedoch eine Ausnahme von der Trennungspflicht vor, sofern das in einen Leasingvertrag eingebettete Derivat in einem engen Zusammenhang mit dem Basisvertrag steht. Das gilt, wenn das eingebettete Derivat
- ein inflationsbezogener Index ist, etwa die Anpassung der Leasingzahlungen an einen Verbraucherpreisindex, sofern das Leasingverhältnis nicht gehebelt ist, d.h. die Anpassung nicht größer ist als die Inflation, und der Index sich auf die Inflation im wirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens bezieht,
- in Form variabler Leasingzahlungen basierend auf den Erlösen des Leasingnehmers besteht oder
- in Form variabler Leasingzahlungen in Abhängigkeit von variablen Zinssätzen besteht.
Wird etwa eine Indexierung der Leasingraten für eine Gewerbeimmobilie in Griechenland an die Entwicklung der Inflationsrate am Sitz des Leasinggebers in Deutschland gebunden, könnte eine Trennung und gesonderte Bilanzierung der Anpassungsklausel in Betracht kommen.
Ist in einem anderen Fall ein Teil des Leasingentgelts für eine Einzelhandelsimmobile abhängig von den im Laden erzielten Umsatzerlösen, spricht das gegen eine Trennungspflicht, weil ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Vertragskomponenten besteht.
Eine Trennungspflicht bei Fremdwährungsderivaten kann auf der Seite des Leasinggebers vorliegen. Beim Leasinggeber besteht die Unterscheidung in ein Finance Lease und ein Operate Lease wie nach IAS 17 fort. Im Falle eines Finance Lease sind Fremdwährungsderivate bezogen auf die Leasingforderung nicht zu trennen, weil es sich bei der Forderung um einen finanziellen Vermögenswert handelt (IFRS 9.B4.3.8 (c)). Anders kann das jedoch bei einem Operate Lease aus Sicht des Leasinggebers sein (IFRS 9.B4.3.8 (d)).
Das ist alles wieder keine leichte Kost. Wie kann man die Komplexität der Regelungen vermeiden: Einfach keine komplexen Leasingverträge schließen! Sind einzelne Klauseln ggf. als Derivat zu interpretieren, ist eine Analyse des Sachverhalts und der Anwendungspflicht der Regelungen für eingebettete Derivate nicht zu vermeiden. Zum Glück wird sich für die meisten Wald und Wiesen-Leasingverträge die Frage nicht stellen. Für gängige Klauseln, wie etwa Optionsrechte und Restwertgarantien, sind statt einer Trennung vom Leasingvertrag die speziellen Regelungen des IFRS 16 zu beachten. Insoweit hat der IASB durchaus Praxisorientierung bewiesen.
Weitere Hinweise:
- o.V., Eingebettete Derivate in Leasingverträgen, PwC International Accounting News 1/2019, S. 1 ff.
Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge im NWB Experten-Blog: