In Zeiten von Corona scheint vieles möglich. So hat der Koalitionausschuss der Großen Koalition am 8. März 2020 die Umsetzung von steuerpolitischen Maßnahmen beschlossen; zu den Maßnahmen zählen im Einzelnen:
- „Die Abschreibungsmöglichkeiten für „digitale Wirtschaftsgüter“ werden verbessert. Um eine konsensfähige Definition für „digitalen Wirtschaftsgüter“ zu finden, wird es zeitnah einen Meinungsaustausch zwischen Bundesregierung, Wirtschaft und Experten geben.
- Mit der Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer wird es Personengesellschaften ermöglicht, steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Die unterschiedlichen Besteuerungsformen können heute zu einer höheren Steuer für Personenunternehmer führen. Dies sollen Personenunternehmen durch die neue „Veranlagungsoption“ zukünftig vermeiden können.
- Aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Gewerbesteuerhebesätze Anhebung des Ermäßigungsfaktors bei § 35 EStG auf 4,0, so dass es unter Berücksichtigung der Wirkung auf den Solidaritätszuschlag bei Personenunternehmern bis zu einem Gewerbesteuerhebesatz von rd. 420 % zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer kommt.
- Gemeinsam mit den Partnern bei den G20 und in der OECD wird an an einer Neuordnung der internationalen Besteuerung gearbeitet. Ziel ist es, Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung auf den Weg bringen. In diesem Zusammenhang will man zur Entlastung der Wirtschaft und zum Abbau unnötiger Steuerbürokratie auch in Deutschland die Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuerrecht rechtssicher ausgestalten und modernisieren. Bis Ende 2020 wird der Niedrigbesteuerungssatz entsprechend der „Minimum Taxation“-Initiative angepasst. Die Koalition ist sich einig, dass die ATAD-Umsetzung jetzt schnell erfolgen soll.
Besonders interessant erscheint hierbei das Optionsmodell für Personengesellschaften
Mit der Option, Personengesellschaften wie Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen, soll offensichtlich dem vielfach geforderten Ziel einer rechtsformneutralen Besteuerung Rechnung getragen werden.
Gleichwohl stellen sich in diesem Kontext für die betroffenen Unternehmen sowie für den steuerberatenden Berufsstand die Frage, wie diese Option im Einzelnen genau aussehen soll. Bekanntlich bergen einfach anmutende steuerpolitische Vorschläge viele Stolperfallen; mit den ungewollten steuerlichen Folgen und Anwendungsfragen darf sich in der Regel die Praxis auseinandersetzen.
Zunächst dürfte von Interesse sein, ob die Option proaktiv (vor Beginn des entsprechenden Veranlagungszeitraums) oder nach Ablauf eines Veranlagungszeitraums ausgeübt werden muss und ob es bestimmte Bindungswirkungen (z.B. für mehrere Veranlagungszeiträume) gibt. In Abhängigkeit des zu versteuerndes Einkommens und der Gesellschafter(einkünfte)konstellation kann dies auf die Netto-Finanz-Position durchaus eine entscheidende Rolle spielen. Sonach wäre jeweils zu prüfen, wie hoch der persönliche Grenz- bzw. Indifferenzsteuersatz liegt (nebst der Berücksichtigung von divergierenden Gewerbesteuerhebesätzen).
Für den Fall der Optionsausübung stellt sich des Weiteren die Frage, ob damit auch automatisch eine Gewinnthesaurierung wie bei Kapitalgesellschaften vollzogen werden kann (u.a. mit der Möglichkeit, einen Netto-Zinseffekt zu erzielen) oder ob eine – wie bei Personengesellschaften üblich – eine gesonderte und einheitliche Feststellung zu erfolgen hat. Wie ist die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG im Gefügte des Optionsmodells zu verorten?
Weitere Fragen ergeben sich auch mit dem Umgang von Sonder- und Ergänzungsbilanzen, die es bei Personengesellschaften, aber nicht bei Kapitalgesellschaften gibt. Auf welcher Stufe bzw. wie werden daraus resultierende Effekte berücksichtigt?
Die voranstehenden Fragen zeigen, dass eine vorschnelle und nicht zu Ende gedachte „Steuerreform“ die Wirtschaft nicht zwangsläufig entlastet; das Ziel der steuerpolitischen Maßnahmen könnte verfehlt werden
Die vermeintlich einfache Besteuerung dürfte letztendlich bei Umsetzung der im Raum stehenden steuerpolitischen Maßnahmen zu einer Erhöhung der Steuerdeklarationskosten aufgrund gestiegener Steuerkomplexität führen.
Ob dies gewollt ist? Es bleibt die Hoffnung, dass die Entscheidungsträger die Ausgestaltung ihrer Maßnahmen noch konkretisieren und dabei auch den Blickwinkel der Betroffenen/Praxis einnehmen.